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tagebücher / 1943-44 / 1943-08-13

Freit. 13. Aug.

Heute ein grässlicher Tag, auch vorgestern. Feucht, warm, dunkel. Man wird davon mehr müde, also von der Arbeit. Dabei Heute noch 1 Vorl., 2 precepts. Ich wäre gerne reiten gegangen, aber das Wetter ist nicht danach. Viell. morgen, falls ich zeitig genug Schluß machen kann.

Gestern kam Johnny am frühen Nachmittag eine Stunde her. Sehr nett. Wir haben wieder einmal über die Spiele gesprochen. Es zeigt sich, daß man die Informiertheit über Strategien noch anders darstellen kann. Aber wir wollen uns auf nichts mehr einlassen. Klari macht ihm wieder zu schaffen. Die alte Geschichte, daß sie immerzu beleidigt ist, sich verfolgt glaubt usw. Entspannung findet er bei ihr weiss Gott nicht; gerade was man bei einer Frau sucht; sekkiert wird man sonst von der Welt. Er tut mir so leid, & dabei ist es so einfach mit ihm auszukommen. Wenn man das wieder sieht: wie recht doch Sokrates hatte: Man kann nicht mit den Frauen leben, & nicht ohne sie. – Es liesse sich besser arrangieren. In Paris z.B. wäre das kein Problem; oder in Wien.

Mir mißfällt mein Leben immer mehr. Die Studenten sind dull, es ist wiss. nichts interess. los, keine neuen Gesichter, keine Freundin etc. – Ich muß wieder etwas tun. Mich hält im Augenblick nur das MS fürs NBER. & auch das befriedigt mich nicht. Es ist auch eine gewisse Müdigkeit da. Hinzu kommt der Krieg.

Ich fürchte, man wird bald Wien bombardieren. Bei Hannchens Instabilität wird das sehr schlimm werden. Es kommen keine Nachrichten von ihnen. Bei anderen ist es auch so & man weiss nicht, was man machen könnte. Leider gar nichts.

Heute Rom wieder bombardiert. Umberto Ricci ist Innenminister in Italien geworden! Viell. hört man noch von E. Rossi, Zanotti-Bianco, Einaudi etc. – Es muß schon ein grosser Triumph für Ricci sein, haben ihn doch die Faschisten 1928 hinausgeworfen.

Di. kommt Wald her & hält einen Vortrag. – Johnny meint übrigens, daß die Fortschritte der Statistik sehr überschätzt seien. Nur signific. tests sieht er als wichtigen Fortschritt an, aber nicht die Einführung des Stieltje‘s Integrals etc.

DeWald ist Major geworden & geht dieser Tage schon über See! Neulich mit Jim & Mr. Yin gegessen; war sehr nett. Lutz's waren hier; fahren auf 2 Wochen ins Glen House, wo sie sich mit Haberlers treffen.

Ich werde Mo. nach N.Y. fahren, & die Woche darauf 2 Tage dort verbringen, um an dem MS zu arbeiten. Ich brauche charts & Stat. im Bureau. Die Woche darauf möchte ich einmal 3 Tage ans Meer gehen, oder in die Poconos. Es wird auch ab morgen mit dem Benzin besser werden; man bekommt mehr (viell. 3 galls) & kann es frei verwenden.

Jetzt dürfte das MS doch bald zum Satz gehen. Wir haben es der Press gegeben; & Aydelotte kann viell. nächste Woche eine Entscheidung haben.

Ich bin viel im Nassau Club; dort ist das beste Essen: Friend, D. Egbert, Stohlmann, Gauss, J. Stewart (Astronom) etc. sind alles nette Leute. Auch einige jüngere Grad.Stud.-Instruktoren. Aber für die Dauer ist es fad. – Vor einem Jahr war es schöner für mich, N.Y. & alles –.

Mimi kommt Sonntagnachmittag her. Heute über d. Inflation gesprochen, morgen über Reparationen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1943-44, Eintrag 1943-08-13
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.25)