OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1943-44 / 1943-12-04

Sa. 4. Dez.

180 Fahnen zurückgegeben; die ersten 25 dürfen umbrochen werden. Neue sind gekommen. – Johnny ist in Arizona.

Gestern mit Siegel im Club gegessen, dann zu Bertrand Russel's 1. Vortrag: "Probable Inference". Er sprach sehr gut & klar. Nicht für die Frequ. Theorie, & nicht für Laplace. Was er über "mehr oder minder glaubwürdig" sagte, war kaum überzeugend – als eine abgeschwächte Freq. Interpretierung möglich. – Dann meinte er, daß von Wahrsch. nur gesprochen werden könne, wenn man das Prinzip der Induktion voraussetze.

Siegel kam dann zu mir. Seine grosse Arbeit über indefinite quadratische Formen ist fast fertig, aber er plagt sich sehr & sagte, daß er Sachen, die er vor 8 Tagen gefunden & aufgeschrieben hat nicht mehr verstand, bis er sie gestern ganz meisterte & klar aufschrieb. Er sollte hier an die Univ. berufen werden; viell. würde er es sich wirklich überlegen & annehmen. Ich will einmal mit Dodds sprechen. Wir diskutierten Faktor-Theorie & ich bin mehr & mehr der Überzeugung, daß damit etwas zu machen sein wird, aber man muß sich in Acht nehmen.

Do. reiten gewesen; herrl. Wetter. Noch immer Schmerzen;

Gestern eine Rote Kreuz Nachricht von Hannchen vom 19. Juli aus der Ramsau, wo sie alle waren. Klang alles gut & ich freue mich. Hoffentlich bleibt alles wohl.

Grosse Angriffe: Berlin, Leipzig. Es muß unvorstellbar sein.

Konferenz Roosevelt, Churchill, Stalin in Teheran. Bekanntmachung kommt Montag Mittag, 1h. Man erwartet ein Ultimatum an Deutschland. Deswegen natürlich die schweren Luftangriffe.

Heute gehe ich zum Budap. Streichquartett; u.a. Beeth. Op. 59, No. 1. Ich bin eifrig am Werke für das NBur. Das MS wird viel länger, aber es ist nötig mehr Detail anzuwenden.-

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1943-44, Eintrag 1943-12-04
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.25)