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tagebücher / 1943-44 / 1944-06-11

So. 11. Juni 44.

Die Invasion macht Fortschritte. D.h. man hat nicht viel Raum gewonnen, aber einen festen Fuß. Bald sollte Cherbourg fallen. Es kommen bestimmt noch weitere Landungen. Es sind wieder einmal aufregende Zeiten. Vor allem, weil nun eben doch die Möglichkeit eines Endes des Krieges in 3-4 Monaten, oder gewiss in diesem Jahr besteht. Schliesslich glaubte man auch nicht, daß von der deutschen Invasion Hollands bis zum franz. Zus.bruch es nur 6 Wochen dauern würde –.

Columbia habe ich zugesagt. Viel Spaß wird es nicht machen, aber es hat gewisse Vorteile & ich bin mindestens 2 x in N.Y. im Bureau. Dort geht es vorwärts & ich werde nun wirklich schreiben können, sobald einige Lücken in den Zahlen etc gefüllt sind. Ich habe Chester eine detaillierte Liste gegeben. Er kennt sich leider in der ök. Literatur nicht gut aus; liest aber viel & rasch.

Gestern mehrere Stunden mit Johnny. Es bleiben nur noch 25 Seiten; dann die Titelei mit Vorwort etc. & Text zu schreiben für den Umschlag. Wir werden also in 2 Wochen imprimieren können. Gott sei Dank. Es sind 1 ½ bis 2 Tonnen Metall!

Die Departm. Beratungen gehen fort. Ausser Viner haben wir noch Haberler & Ellis im Vorschlag; Graham möchte Machlup. Ich glaube, daß weder Viner noch Haberler kommen; Ellis ist möglich, M. wäre sicher. Ich muß mir das alles noch überlegen. –

Die Linse meiner Leica war trüb geworden (Feuchtigkeit); jetzt ist sie wieder poliert & ich möchte einige Bilder machen. Es ist schade sie nicht zu benützen.

Weyls kamen Di. noch auf einen Sprung her. Ich solle sie in Este's Park besuchen; es ist aber zu weit für eine kurze Zeit.

Do. in N.Y. – Stigler ist ein unerträglich arroganter Kerl: man weiss gar nicht, worauf sich das begründet. Dabei ist er intelligent, aber offenbar nicht in guten Händen gewesen. Schlampig ist er auch, wie man aus seinen Schriften sieht. Er fragt nach unserem Buch & wird sich schon bald nachher das Maul zerreissen.

Bei Miss S. Walker gewesen. Die Arme ist ganz gelähmt und unheilbar. Sie war sehr nett, wohnt sehr schön & Van Sickle besuchte sie neulich; es soll ihm recht gut gehen. Kittredge ist full Commander & noch immer bei Admiral Stark.

Gestern Lunch bei Oppenheims. Tillich war da & Ted Green. Tillich ist Präsident des neuen Comité's für ein demokratisches Deutschland. Ich mag seine Theologie-Logik gar nicht, aber politisch ist er recht vernünftig. Ich bin aber nicht für sein Comité. – Freitag bei Baldwin Smith zum Dinner (2 Welch, Miss McBride (Präs. von Bryn Mawr), d'Oro Levi, 2 Lee). Es war recht nett. Mir ist nur vollkommen unklar wieso die Leute mit Frau, Kindern in Schulen etc in eigenen Häusern leben etc, wenn sie nicht alle eigenes Geld haben. Ich verstehe es einfach nicht. Ich komme gerade aus & habe weiss Gott keine Luxusausgaben! Ich muß mir das einmal anschauen.

Gestern abend bei Alexanders. Recht nett. Ich fand heraus, das die Sensitivity Control meines FM-Adapters nicht funktioniert. Täte sie es, würde ich wirklich guten Empfang haben. Muß das anschauen lassen.-

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1943-44, Eintrag 1944-06-11
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.25)