OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1944-45 / 1944-11-12

So. 12. Nov.

Dienstag kam Mimi durch & blieb einige Stunden; hat schlechte Nachricht: Ein Tumor, der bald entfernt werden muß, "non-malignant", aber gross & in schlecht zugänglicher Stelle. Sie ist sehr brav, aber natürlich besorgt & gestört. Der Arzt sagt, sie hätte eigentlich Beschwerden haben müssen; ihre psych. Instabilität hängt viell. damit zus. Ich sagte, daß sie unbedingt noch einen 2. Arzt hören müsse & habe durch Dr Klein einen Mann in Phila gefunden (Dr. Franklin Payne). Ich will auch noch Belford fragen. Die arme Mimi; sie war immer ein Muster an Gesundheit. Der Tumor ist ½ - 2 Jahre alt, meinte der Arzt. Heute ist man so expert mit Operationen & wenn der Tumor nicht ganz unzugänglich ist, sollte es nicht zu übel werden. Aber es ist eine grössere Operation. Ich will mich sehr um sie kümmern – .

Montag war Faculty meeting & ich hielt meine erste (kurze) Rede. Schlug vor, daß man tiefere Dinge besprechen solle, wie z.B. die Rolle der Univ. nach dem Kriege; & die Research Tätigkeit der Regierung (in Sozialwiss.) & der Corporationen (Naturwiss.). Was das bedeuten werde etc. Es gäbe kein Forum; die Comités seien zu eng & dort bespräche man dies alles auch nicht. Wenn die Fac. meetings nichts bedeuten so sei das eine der Ursachen & um mehr Leute hinzubringen, die auch nichts sagen, habe keinen Sinn. – Tableau! Der Präs. antwortete, daß er mir zustimme, & sich das auch schon oft gedacht habe (!) & er habe Pläne. Ich glaube es wird etliches geschehen.

Die erste Woche mit sehr viel Arbeit. Ich fand es ermüdend & ich will das auf die Dauer nicht mitmachen (unter Prätext des Patriotismus).

Roosevelt ist also wiedergewählt & ich bin sehr froh. Dewey war grässlich & ich hoffe, er wird nicht wieder Kandidat in 48 sein. – Der grässliche Krieg geht weiter; Patton hat eine Offensive begonnen & die Deutschen schiessen Raketen nach England, die schneller sind als Schall. Es wird immer besser. Wie wird das in 20-30 Jahren aussehen? Man denke nur, daß man bessere Brennstoffe macht; da können die R. weit fliegen & die Treffsicherheit kann auch erhöht werden. –

Gestern Cocktails hier & 2 Smyths, Charly S., Hella, Clari, Elean (Bohni), 2 Oppenheim, 2 Graham.

Heute wieder am Buch zu schreiben. Ich beginne nun das Kapitel über Wechselkurse & Differentials.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1944-45, Eintrag 1944-11-12
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)