Sa. 18. Nov. 44.
Seit Donnerstag ist also die grosse alliierte Offensive im Westen im Gange. Schwere Kämpfe & wenig Nachrichten; es wird wohl noch eine Woche dauern, bis man ein Bild hat. Aber wenn man entscheidend durchbricht (nicht nur bis an den Rhein), dann könnte es noch dieses Jahr zu Ende sein. Mit Hitler ist auch etwas nicht in Ordnung, aber die Nazis halten ihn für wichtig genug nicht zuzugeben, daß er tot oder krank ist. Eigenartig, wie alles auf einmal in der Waage hält. Sie ist ganz nahe am Umkippen.
Letzten So. zwei Stunden mit Neumanns & Bruder Micki spazieren; Di. & heute mit Hella Weyl reiten. Man mußte das herrliche Wetter nützen. Di. Abend war Mimi einige Stunden hier; sie kam von Dr. Payne in Phila, der ihr einen ausgezeichneten Eindruck gemacht hatte. Ihr Tumor ist nicht gefährlich & es ist eine schwerere Operation, aber nichts auf Leben & Tod. Der Arzt verlangt kein Honorar, nimmt nur die $ 150, die ihre Versich. zahlt. Sie will es nach Weihnachten machen lassen, falls sie bis dahin keine Beschwerden bekommt. Wir trafen in der Tavern Weyls, die mich nach M's Abfahrt noch zu sich einluden, wo er mir Gedichte von Werfel vorlas, die mir nicht gefielen & nichts sagten.
Wieder etwas weiter geschrieben, aber mit den Tabellen ist noch Unordnung & Lücken. Orzak schickte 2 Arbeiten, die mir gut gefielen & ich werde ihn nehmen. Er kann gleich mit sehr definitiven Sachen anfangen; d.h. einige Tabellen kontrollieren. Ich habe noch eine Menge Stoff zum Schreiben; ca. 100 Seiten.
An der Univ. nichts bes. Sehr ermüdend viele Arbeit. In 5 Wochen fallen aber 5 Wochenstunden fort; ich muß aber noch Vorlesungen ausarbeiten.
Gestern Dinner & Vortrag E. Staley. Er ist ein netter, gewandter Mann. Ungenau, schnell, nicht subtil, kein Gelehrter. Ein zweiter Condliff etc. Diese Kategorie wollen wir eigentlich nicht & ich bin noch unentschlossen, ob ich für ihn stimmen soll. Mein Wiss.ideal ist wesentlich anders. Sehr schwer jemanden zu finden.
Johnny kam heute zum Frühstück. Er war bei Birkhoffs Begräbnis gewesen, hat in Providence über seine Rechenmaschine & in Wash. über 2 Pers. Spiel gesprochen. In 8 Tagen hält er die Gibbs Lect. in Chicago über "Ergodic hypoth. & statistical mechanics". Chevalley hat die Frage der altern. groups gelöst, die im Buche angeschnitten ist. Johnny hat seinen eigenen (teilweisen) Beweis vergessen & kann die Notizen nicht finden. Ich habe hier alles durchgeschaut, habe ihn aber nicht. Ich erinnere mich genau, wann & wo er ihn mir sagte, habe ihn aber auch vergessen. Chevalley's ist anders; Ch. wird einen Aufsatz in den Annals schreiben.
Neulich Abends bei Gödels gewesen. Sie ist schrecklich. Mit ihm viel über Leibniz gesprochen. Er glaubt wirklich, daß L. systematisch von seinen Herausgebern einschließlich der Akademien! sabotiert worden ist. Aber er kennt L. gründlichst; viell. wird er wirklich etwas schreiben. Ob er noch an dem Kontinuum Problem arbeitet, weiss ich nicht.
Heute hörte ich, daß man in die Schweiz schreiben darf. Werde Amonn schreiben. Viell. schreibt er dann meinen Eltern. Ich kann kaum an sie denken, ohne einen Herzkrampf zu bekommen. Hoffentlich sind sie in der Ramsau, wo siech wohl auch warm wären.
Sonst nichts. Vom Buche über 150 Exemplare verkauft; gilt als guter Absatz. Marschak schrieb, daß es die gesamte Theorie revolutionieren werde.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)


