OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1944-45 / 1944-11-25

Sonnt. 25. Nov. 44.

Wieder am Buch weiter geschrieben, obwohl es mit 13-14h Unterricht nicht leicht ist. Jetzt sind noch 4 Wochen davon; dann fallen 5h pro Woche weg.

Vorgestern nach N.Y. gefahren, im Princeton Club übernachtet & am Abend mit Mimi ausgegangen. Zuerst Dinner im 123 Club, dann Newsreel Movie & dann nach Versuchen bei El Morocco etc. hinein zu kommen, in die sehr angenehme Pierre Bar. Sie war Do. krank gewesen & glaubt, es ist von ihrem Tumor. In ihrer Gesellschaft ist wieder einmal eine Änderung; Waller muß als Präs. zurücktreten etc. Ihre Operation wird wohl nach Weihnachten sein müssen. Ich glaube, sie freut sich, mit mir auszugehen; trug ein neues, schwarzes Kostüm & sah sehr fesch aus.

Gestern im Ntl. Bureau, wo nun Louis Orzack angestellt ist. Er tritt am 4. Dez. an & muß erst das MS lesen. Er war gestern dort & wir hatten eine detaillierte Besprechung. Hoffentlich wird er sich gut machen. Er ist scheu, aber scheinbar kann er Statistik, genau was ich in erster Linie brauche.

Thanksgiving hier, Turkey im Club, leider mit Stewart beim Essen gesessen, der mich mit seinem öligen Wesen & Nichtstun stört.

Mittw. Abend mit Siegel & Neumanns in der Tavern & dann bei mir. Ein bes. netter Abend. N's waren überrascht, daß Siegel fast die Konversation beherrschte! Aber er ist eben aufgetaut. Jetzt ist seine Arbeit über quadrat. Formen erschienen. Er hat tatsächlich am Dienst. unser Buch fertig gelesen ("pro Tag 10 S"). Jetzt überlegt er sich alles noch einmal & Anf. Januar, wenn Johnny wieder da ist, wird er uns alle Bemerkungen vortragen. Wir sind sehr neugierig. Clari hatte ein Gespräch mit dem ziemlich verrückten Lefschetz gehabt & fragte, wer eigentlich in Princeton normal sei. Wir dachten angestrengt nach, bis Siegel behauptete: Einstein (trotzdem er weder Hemd noch Socken trägt)! –

Hatte Tee gestern mit Wald. Er hat im 2 pers.game die Fragestellung seiner Anwendung auf Statistik erweitert auf kontinuierliche Strategien auf beiden Seiten. Jetzt schreibt er einen neuen Aufsatz für die Anuals; Erweiterung des Min Max Satzes auf abzählbar viele Strat.; Johnny glaubt, es müsse auch auf über abzählbare gehen, trotz hoher Aleph Räume. Also alles zieht weitere Kreise. Hotelling ist böse wegen unserer Bemerkung über die Math. Ökon.; viell. hätten wir das abschwächen sollen. – Vom Buch werden täglich etwa 1-2 Stück von der Press verkauft & sie sind sehr zufrieden.

Wir haben im Dept. Staley diskutiert. Ich bin gar nicht begeistert; ein netter Mensch, eifrig, Vielschreiber, ungenau, 2- oder drittklassig. Viell. will der Präs. solche Leute. Es wäre besser, niemanden zu berufen. Aber ich dringe nicht durch; jedoch ist unsere Haltung durch mich lauwarm geworden.

Die Offensive hat Straßburg gewonnen, aber keinen wirklichen Durchbruch bei Aachen gebracht, trotz grosser Verluste. Viell. gelingt es aber bald; Eisenhower hat noch nicht den Hauptschlag geführt. Er muß aber jeden Tag kommen.

Gestern mit Hahn bei Chez-Jean (60th St) geluncht. Ganz nett, aber zu sehr auf sein Geld & die Börse bezogen. Auch glaubt er, daß Leute die wie er denken, es notwendiger Weise von ihm gestohlen haben müssen! –

Freit. – Sonnt. wieder Sitzungen der Depr. Delegation. Schon wieder viel Zeug hier zu lesen. Man kommt mit der Arbeit kaum nach. Ich muß auch 2 Vorlesungen vorbereiten (Marx, Thünen, Öster. etc.).

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1944-45, Eintrag 1944-11-25
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)