OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1944-45 / 1944-12-13

Mittw. 13. Dez.

Gestern in N.Y. Miss Green interviewed als mögliche Assistentin. Kommt aber nicht in Betracht. Dann mit Clari im Pavillion Swiss genachtmahlt, News Movie & 9h heim. Lunch mit Mitchell, Burns, Mills etc. Ein Kapitel zum Abschreiben dort gelassen & von Garoy besucht.

Heute einen Brief von David Watson. "Separated" von seiner Frau; wieder eine! – Er ist nicht mehr im WPB, sondern will ein Buch schreiben. Es wird aber ein Mischmasch werden und es wurde Zeit, daß er sagt, was er eigentlich will. Ich werde Anfang Feb. nach Wash. zur Am Ec. Ass. Tagung fahren & ihn dann treffen.

Heute lange Unterredung mit Weyl im Institut. Über Hayek, den Krieg, die Neuorganisation des Instituts, die nicht gut geht.

Der Krieg ist gewaltig. Aber ich habe immer mehr den Eindruck, daß in diesem Kriege mehrere neue Elemente aufgetaucht sind, die mehrere Jahrhunderte nicht da waren (viell. viel früher). Im 16. Jahr. hat man oft Schlachten abgebrochen wenn es klar war, daß eine Partei gewinnen würde; d.h. man hat gar nicht erst begonnen. Die Franzosen in Italien haben sich dann nicht daran gehalten. Noch 1918 hörten die Deutschen auf, als sie militärisch verloren hatten. Aber jetzt geht es weit über diesen Punkt hinaus. Was den Kriegswillen zus.hält verstehe ich nicht. Gestapo, Uncond. Surr. etc. ist natürlich Unsinn, obwohl ein gewisser Faktor. Eher etwas tief - biologisches: erlöschender Lebenswillen, oder dergl.; nationaler Selbstmord? – Ebenso merkwürdig, daß die deutsche Geburtenquote von 39-42 um 25% fiel, die franz. von 1940 an auf vor Kriegshöhe stieg, (trotz der abwesenden Kriegsgefangenen!). Ähnliches Steigen in England. Alles deutet auf irgendwelche ganz tiefe Umschichtungen hin. Aber wer versteht sie? Wer beschreibt sie?

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1944-45, Eintrag 1944-12-13
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)