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tagebücher / 1944-45 / 1944-12-28

Do. 28. Dez. 44

Ich telef. gegen 12.30 & die Nurse sagte mir, die Operation sei gut verlaufen & Mimi "rests comfortably". Sie werde heute sehr schläfrig sein & man könne sie 4-5 Tage nicht sehen. Ich hoffe, daß keine Komplikationen auftreten & daß die Operation nicht schwerer war als ursprünglich gedacht. Wenn nur alles gut geht, wird sie sich nachher sehr erleichtert fühlen & vielleicht ihren alten Optimismus wiedergewinnen. Ich werde morgen wieder anrufen & ihr Blumen schicken.

Montag beim Weihnachtsdinner bei Morgans in N.Y. Recht nett. Diana war da & gefiel mir sehr gut. Sie haben in Wash. ein Haus gekauft. Wir sind recht gut miteinander aber es ist schon interessant zu sehen, daß ich nie warm mit ihr geworden bin, d.h. wirklich persönlich-menschlich sehr angenehm, aber nur schwache erotische Anziehung.

Jetzt muß ich noch die Grades für den Army Kurs machen & dann habe ich es wesentlich leichter mit 8h; aber der Plan ist nicht gut; zu viel Zersplitterung der Vor- und Nachmittage.

Heute einen Brief von Lucia de Viti de Marco. Sehr nett & rührend. Sie wird DeWald aufsuchen. Sie arbeitet in der All. Control Com., also wahrscheinlich im selben Gebäude. Ich habe ihm heute geschrieben. Ich möchte ihr & ihrer Schwester gern etwas schicken.

Gestern Dep. Sitzung wegen Staley, den der Präs. berufen möchte. Meine Einwände wurden genau diskutiert, man stimmt zu (wie auch Viner sagte), daß er nicht erstklassig ist, aber wie kann ich durchdringen gegen Smith-Brown (welche Klasse??) & Graham, der keinen erstklassigen Mann haben will. Es ist ein Jammer. Es macht mich unglücklich dies alles zu sehen. Jedenfalls glaube ich aber meine Pflicht getan zu haben. Eigentlich tendiere ich immer mehr weg von Princeton. Aber Johnny ist hier & die anderen, die so viel Anregung bedeuten, die ich anderswo nicht so leicht bekommen werde, auch falls ich dort mehr Zeit haben sollte. Und Zeit ist es, die ich haben will. Das diesmalige Unterrichten ist zu 98% in den Wind gesprochen. Noch nie so dumme Studenten gehabt.

Mit dem Buch wieder angefangen & ich hoffe morgen wieder schreiben zu können. – Fürth schrieb mir, daß die Games im Fed. R. Board diskutiert worden seien. Er interessiere sich (jedenfalls mehr als Haberler, Lutz etc!!). Garret Birkhoff schrieb Johnny er habe etwa 200 S. gelesen & das Buch sei wie die Algebra zur Zeit – und in den Händen – Cayley’s. Was Johnny sehr freute

Die Macht der deutschen Offensive offenbar gebrochen & es könnte sein, daß dieses nun zur Entscheidungsschlacht führt & auch den Krieg bedeutet. Patton scheint den wirksamen Schlag mit der 3. Armee geführt zu haben. – Aber die allg. Weltlage ist grässlich wie kaum je.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1944-45, Eintrag 1944-12-28
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)