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tagebücher / 1944-45 / 1945-02-16

Fr. 16. Feb.

Unterbrochen von Jan Smit, der hier auftauchte (10 p.m.!) & 1h blieb. – Gestern abend waren Gödels hier & heute war ich in N.Y. den ganzen Tag. Meine Assistentin arbeitet sich ein, aber wir brauchten einige Stunden, um uns einiger Statistiken zu vergewissern. Es stimmt aber Gott sei Dank alles. Jetzt wird es auch wieder vorwärts gehen. Ich habe etwa ½ des IX. Kap. über Goldpunkte & hoffe bis Anf. März damit fertig zu werden. Dann kommen die off. Discontsätze. etc. Noch viele Nachträge über Forward rates etc. Ich werde nächste Woche viell. 2 Tage nach N.Y. gehen.

Sonntag beendeten wir um 10.30 p.m. die Sitzungen der Delegation. Jetzt kommen noch Fahnen, dann wird das Buch erscheinen. Es wird ganz brauchbar sein für Vorlesungen. Viell. wird es auch sonst gelesen. Haberler war hier & ganz nett. Er hat einen Brief von seiner Schwester, geschrieben im Aug. in Liechtenstein; sehr bedrückt & glaubt nicht lebend davon zu kommen. – Nun ist auch Budapest ganz zerstört und Dresden, wo es 70 000 Tote gegeben haben soll! Es ist ungeheuerlich. Die Nazis lassen alles zu Grunde gehen, um nur einige Tage oder Wochen noch zu leben. Und niemand tötet sie! Es ist nicht zu begreifen. Hier ändert sich etwas in der ganzen Art & Technik der Kriegführung & des Herrschens, z. T. so wie in Dädalus etc. angedeutet. Obwohl es weniger die technische Seite ist. Ich glaube aber, daß der Bruch in dem Willen der deutschen Soldaten nicht mehr lange auf sich warten lässt. Hoffentlich ehe die Russen nach Wien gehen.

Mr. Bryan war hier, der zur Mission für Öst. gehört. Er wird sich sofort Hannchen kommen lassen & so werde ich ihnen helfen können, viell. Pakete etc. Aber alles ist unvorstellbar. In N.Y. heute beim Off. of Strat. Services, Mr. R. Carroll (ex Goldmann, aus Wien & Havana!), alles wegen derselben Sachen.

Vorige Woche in N.Y. Mimi & Maxwell gesehen; beim Tee im Rock Center. Er ist auf einem Transport & bringt Verwundete aus Europa. Er war sehr nett; ist etwas gealtert, schärfere Züge. Erzählte von seiner Teilnahme als Paratrouper in der Normandie. Ich glaube, er ist ein feiner Mensch & Mimi sollte an ihm festhalten, aber es scheint nicht zu stimmen, d.h. bei ihr. So deutete sie wenigstens am Tel an. Aber ich frage nicht darüber. Habe sie seither nicht gesehen.

Ständig betreibe ich Math. & gehe wieder durch die Analysis. Es geht besser als jemals. Täglich nehme ich 1h dafür, oft mehr.

Das Sem. ist vorbei, einschliessl. aller Prüfungen. – Lange's Buch ist erschienen, aber es ist wieder dieselbe Geschichte.

Siegel war neulich hier; Paulis auch.- So viel für heute.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1944-45, Eintrag 1945-02-16
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)