Mo. 2. Juli. 1945.
Hannchens Geburtstag. Noch immer ohne Nachrichten. Aber jetzt erfolgt die am.-engl. Besetzung von Berlin & da sollte es auch in Wien gleichzeitig geschehen & ich hoffe bald von Marget zu hören. In Budapest ist Inflation, so dass 1 $ = 6-800 Pengö! Das kann in Wien kaum anders sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wovon die Eltern & H. Leben. Ob die Briefmarken so lange reichen?
Die Sitzungen über Zahl.bilanzen waren langweilig & die Behandlung platt. Aber ich konnte nicht heraus. Dupriez ist unverändert; die typische Vagheit aller französ. schreibenden Ökonomen. R.G.D. Allen war auch da; nett & klar, aber kein starker Geist. Er soll die Games besprechen, aber hat wenig Zeit & es wird noch lange dauern. Er hat die ökon. Teile gelesen; aber das geht ja nicht so einfach. Er ist Prof. in London. (Statistik). Beide waren einen Abend bei mir, am Freitag sassen wir noch mit Lutz, Stewart etc. im Klub beisammen. Stewart wie immer, "bedeutend" und völlig leer. Es ist ein Skandal der zum Himmel stinkt. Friend, kürzlich aus Wash. zurück, explodierte neulich über das Institut & sagt, daß die Stimmung überall schlecht ist, ausgenommen Math.
Gestern sehr heiss; Mimi war hier, sie hat Pech mit der Firma wo eine seltene Inkompetenz herrscht. Es wird sich entweder wieder ändern müssen oder zu Ende gehen. Wir waren bei Labatuts (sehr schön) & bei Bohnenblusts, die eine nette Art Abschiedsparty hatten. Es war ein Jammer das zu sehen. Hatte lange Unterredung mit Morse über Stabilität vom math. & physik. Standpunkt. Was die Ökon. machen ist wirklich anmassend & genau so wie das Gleichungsabzählen. Man muß darüber einmal schreiben; Gelegenheit wird sich schon bieten.
Heute kam Wald um 3h. Dann war ein fürchterliches Gewitter mit Einschlägen überall. Um 4h waren wir im Institut, zuerst mit Gödel, dann mit ihm, Johnny & Chevally 1 ½ h Disk. über Games; meist zwischen Wald & Johnny. W. trug seine 2 Theoreme vor, die sehr schön, aber noch eng sind; aber viell. vielversprechend. Es war jedenfalls sehr interessant. Johnny zeigte ihm auch den neuen Beweis mittels der Diff.gleichung (des Hauptsatzes). Wir & Clari assen bei Lahière; dann bei mir & um 9h fuhr Wald heim.
Johnny erzählte, gerade als er umnachtet wurde, seine ganzen Beweise über die Kontinuumhypothese detailliert mitgeteilt habe, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. So klar, daß Johnny das publiziert hätte, in Gödels Namen, falls G. gestorben wäre. G. hat es viell. auch noch Menger mitgeteilt. Gleichzeitig hat er gewusst, wie es um ihn stand. Dann wurde ihm wieder besser, & er hat es dann hier in P. 1938/9 fertig gemacht. Was doch im menschlichen Gehirn für merkwürdige Dinge vor sich gehen.
Vor einigen Tagen Schrödinger: What is Life? bekommen. Faszinierend. Habe schon die Hälfte gelesen. Ich fühle mich sehr voll mit Wissen, Ideen & Plänen; viel mehr als vor einigen Jahren. Und ich sehe so vieles klarer. Es ist der Strom von Anregung & Sympathie der von meinen Freunden ausgeht, bes. von Johnny.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.26)



