OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1945-47 / 1945-10-02

Di. 2. Oct.

Keine weitere Nachricht aus Wien. Ich mache mir nun auch Sorge, daß Hannchen viell. Schwierigkeiten hat. Es ist ganz entsetzlich, was man noch alles hört. Haberler hat wieder Einzelheiten. Überall tiefstes Elend, Leute verschollen, tot, gefangen usw. Ich werde in Wash. nächste Woche mit Sen. Austin (Vt.) & uns. Sen. Smith sprechen; man soll wenigstens das Rote Kreuz, die Quäker & Pakete zulassen; als allererste Maßnahme.

Mir stehen oft so viele Bilder vor den Augen: von den Eltern & Hannchen & Wien. Und dann sehe ich sie in ihrem jetzigen Zustande. Es ist so bedrückend. – Do. wieder 3 Pakete aus N.Y.: dehydr. Eier, Bacon (4 ½ pf!) Käse, etc. Wenn das nur alles klappt. Heute wieder von hier geschickt. (? = 10) (Feinsten Cacao) – Gestern hat die Contr. Com. offenbar Ausdehnung der Renner Reg. über ganz Öst. empfohlen; das würde die Zustände rasch weiter bessern, aber das Niveau der Leute in Wien ist so tief, daß alles zu lange dauert. Ich fürchte nun wirklich, daß die Eltern & viell. Hannchen auch den Winter nicht überleben werden. Aber sie sind so fest und zähe, daß es ihnen viell. gelingt. Von dann an ist mir nicht bange, daß es mit Paketen gelingen wird. Ich habe doch gerne für sie immer gesorgt & nun sollen sie mir doch nicht verhungern! –.

Lunchte mit Mitchell, dem ich Thed Anderson vorstellte. Ich möchte ihn im Bur. unterbringen. M. interessiert sich sehr für mein Buch. Ich werde ihm das MS geben, so wie Chpt. XI abgeschrieben ist, womit man nächste Woche beginnen kann. Ich revidiere alles & warte noch auf einige Goldumlauf Ziffern. Sehr lang, ca. 130 Seiten + 36 Tabellen. Dann schreibe ich über Arbitrage & Forward exch. rates.

Lese jetzt das Buch über die Atombombe. Siegel hat angenommen!! Also endlich.

Sa. waren wir & Meyers bei Gödels zum Nachtmahl. Gutes Essen, schlechte Unterhaltung, weil Fr. Gödel zu sehr die Konvers. machte.

So. war Mimi hier; wir fuhren nach Stockton & etwas spazieren. War sehr angenehm, obwohl trübes Wetter. Sie blieb bis gestern & wir lunchten noch bei Lahiere: Sie schaut viel gesünder aus als seit Jahren. Die Operation hat ihr wirklich gut getan.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1945-47, Eintrag 1945-10-02
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.27)