OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1945-47 / 1945-10-30

Di. 30. Okt.

Menger war sehr nett. Sein Vortrag lebhaft & interessant, aber wieder kaum so wichtig als er dachte. Am Mittw. abend waren wir & Eilenberger & Robischek (ein Schöps erster Ordnung) bei Morses zum Dinner eingeladen. Das war ein guter & interess. Abend. Nächsten Tag kam Menger mich besuchen. Meist sprachen wir über Österr., Familie, Pakete etc. Er hat wenig Zeit für Arbeit gehabt; die Games hat er noch gar nicht richtig verdaut, aber er hält viel von dem Buche. Er schaut besser aus als vor Jahren.

Siegel & ich hatten Dinner bei Fowler, dann zu mir. Er ist enorm gesprächig, & lange nicht mehr so "tense" als früher. Viel über Pieri, die Maschine, die Atombombe etc. Siegel überzeugt mich nicht mit dem Unterschied der angeblich zwischen einer math. Deduktion im Gehirn & mittels einer Maschine gemacht werden muss. Er klammert sich da an einen "höheren" Wert des Gehirns. Im innern ist es die Abneigung (wie er selbst zugibt), daß die Math. auch jenseits des seligen Zustandes von Papier & Bleistift sein soll.

Johnny's Sache steht weiter gut. Er war bei einer Atom-Conferenz in Rye & er sagt "nie wieder". Es werde von zu vielen sonst sympathischen Leuten zu viel Unsinn geredet & man überwerfe sich mit den falschen Leuten.

Sonntag bei McAlpins zum Dinner & dann 2h reiten. Mrs. Flandor kam auch mit (Schwester v. Miss Hazek); ritt den Morgan Hengst. Ein bes. schöner Ritt.

Dave hatte Do. an der ersten Trustee Sitzung teilgenommen. Er meint Princeton brauche $ 50 Mill. neues Endowment. Aber kein Mensch weiss woher. Neues Geld soll aber für Lehrkanzeln & Forschungstätigkeit gehen. Wir wollen es hoffen. Dodds ist ein ganz untauglicher Präsident. Schon daß er Howard als Chairman aussucht & behält! Man muß an die grossen Unternehmungen heran & die kann man nur für Institute bekommen, viell. für spez. Lehrstühle – in den Naturwissenschaften.

Heute in N.Y. gewesen. Wieder die Goldzirkulation. Aber es geht vorwärts. Das Kapitel ist fast ganz abgeschrieben; ich werde es mir Sonntag holen, falls ich zu Mintz' fahre. – Tee mit Mimi im St. Regis; sie tut mir leid, ist aber guter Dinge. Sie war heute bes. nett, sogar. Sie hat auch durch die Hudson Co ein Paket geschickt. Lunch mit Carson etc. Wolman ist ein Blödling; aber (viell?) harmlos.

Vorhin rief mich Gödel an. Er hat gefunden, daß Leibniz nicht nur die Antinomien der Mengenlehre, sondern auch die Helmholtz'sche Resonanztheorie gehabt hat. Nun hat er noch entdeckt, daß er auch das Gesetz der Erhaltung der Energie – abstract, als Potential, formuliert – hatte, ebenso den Schwerpunktsatz. Es klingt kaum glaublich. Aber wenn ein Arzt den Energiesatz finden konnte, warum nicht Leibniz? Ich wünschte, Gödel würde aus alle dem etwas machen. Menger war übrigens sehr skeptisch, bes. betreffs der Ideen Gödels, daß L. lauter Verfolgungen ausgesetzt war.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1945-47, Eintrag 1945-10-30
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.27)