OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1945-47 / 1945-11-16

Freit. 16. Nov.

Habe nicht viel Zeit & Lust zum Eintragen. Nichts von den Eltern od. Hannchen. Ich verstehe das nicht. Vorige Woche 3 Pakete geschickt (auch an Lt. J.J. Kaplan, der sie besucht hatte & passabel fand). Jetzt kann man in N.Y. bestellen & direkt von Dänemark schicken lassen. Soll nur 2 Wochen brauchen; ist teuer, aber ich werde schicken. Die Hudson Co. packt & schickt auch Kleider; das werde ich nun auch tun. Einige Strümpfe etc sind schon unterwegs etc. – Die Nachrichten aus Europa spotten jeder Beschreibung. Mord & Totschlag überall; Vergewaltigungen, Verhungernde, Erfrierende Leute. Und der Winter fängt erst an. In einigen Teilen scheint es aber wieder passabel zu gehen; habe N.Z.Z. gesehen, die wir bald regelmässig bekommen werden.

Weyl Dinner guter Erfolg. Am Anfang wollte er gar nicht mit machen!! Aber dann ging alles gut & alle waren in guter Stimmung. Später bei Weyls war noch Segal, der eben aus Göttingen gekommen war. Vorgestern war Siegel hier bis 1h! Er zeigte mir Briefe von Herglotz, Frl. Braun u.a. Man hofft sie herausbekommen zu können; aber es wird nicht leicht sein & noch eine Weile dauern. Er betreibt jetzt seine Staatsbürgerschaft. Er ist viel aufgelockerter & wird sich wohl fühlen, falls man sie herbekommen kann. Ihr Brief (per "Sie"!) gefiel mir, sehr objektiv. Besser als irgend ein anderer den er hatte.

Pauli hat den Nobelpreis für Physik 1945 bekommen. Alles freut sich; er wird viell. nach Stockholm fliegen.

Habe wieder geschrieben; schon 26 Seiten über Goldumlauf & noch 6-8! Das war ursprünglich ½ Seite!!

Marschak sprach Mittw. hier über "Prospects of empirical economics." Ganz gut; prinzipiell interessant, aber ich habe Unbehagen. Er liess mir ein 39 S. langes MS über die Spiele hier; die Arbeit erscheint im Feb. im JPE. & wir sollen es lesen. Ich fand sofort ein Missverständnis, das er sofort einsah. Aber ich habe es noch nicht genau gelesen; werde das morgen tun.

Mimi war Sonntag abend hier; wir waren im Kino. Sie war recht nett, leidet aber unter dem Gipsverband ihres rechten Armes. Sie hofft ihn Mittw. los zu werden.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1945-47, Eintrag 1945-11-16
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.27)