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tagebücher / 1945-47 / 1945-12-31

Mo. 31. Dez. 1945

Viel gearbeitet, aber nicht viel geschrieben. Es ist unmöglich Do. fertig zu sein. Viell. Sonntag. Habe jetzt schon 60 Seiten; es waren 30.

Habe Unbequemlichkeit: Lasse mich doch gegen Tollwut impfen (von einem Squirrel angegriffen worden). 14 Injectionen! Aber die Chance, daß es krank war ist klein. Aber wenn, & ich nicht geimpft: sicherer, grauenhafter Tod. Es ist der typische Fall extremen Riskes mit kleiner Wahrscheinlichkeit. Bisher ist es noch erträglich gewesen.

Von Ernest gehört: Hannchen hat Beulen an der Hand & 1 im Gesicht gehabt; es gehe wieder besser. Sicher Infection bei herabgesetzter Widerstandskraft. Hoffentlich haben sie nun meine Vitamine & ich werde weitere senden. Ich kann nun 4 Pakete fertigmachen. Eines werde ich mit Sweaters etc füllen. DeWald sagt, daß sie dies alles brauchen. Heute kaufte ich Sohlenleder, Nägel, Zwirn & werde in N.Y. versuchen Oberleder zu bekommen. Da können sie sich Schuhe machen & repar. lassen, z.B. Bezahlung durch Zigaretten, die ich auch senden werde. Das nimmt auch wenig Raum ein.

Heute bei Weyls zum Tee. Karman & Fr. waren dort. Er war lange im Reich gewesen. Panofsky & Pauli noch. Ich hatte Derksen mitgenommen (Prof. Stat. in Rotterdam). D. fährt bald nach Holl. zurück; er war den ganzen Krieg dort. Alf. Weber ist führend in Heidelberg, wo 60% der Prof. entlassen worden sind als Nazi. – Ohne Gehalt & Pension.

Gestern bei Smyth zum Tee. Eine miss Löwenthal, Chairm. Econ. Dept. in Smith war da. Nette, alte Dame. Und altmodische Ökon. –

Do. nach N.Y., Ntl. Bureau, Pakete, Dinner bei McAlpins & Konzert. Sie haben angeblich ein schönes Mädchen für mich. – Abwarten!

Neulich bei Jane Kales, ihre Eltern (Judge Webster) waren da & noch viele Gäste. Jane ist sehr nett & hübsch.

Hier ist das Ende dieses Jahres. Habe keine bes. Gefühle deswegen. Feiere nicht, & trauere nicht. Ich bin in die Arbeit versunken & will fertig werden. Aber nächstes Jahr will ich etwas mehr Abwechslung haben. – Das State Dept. schreibt, daß sie mit Marget gekabelt haben. Da werde ich auch von ihm bald wieder hören.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1945-47, Eintrag 1945-12-31
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.27)