OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1945-47 / 1946-03-29

Fr. 29. III. 46.

Mo. in N.Y. mit Mitchell im Century Club eine lange Unterredung gehabt. Er hat nicht viel über das frühere hinausgelesen, aber alles scheint ihm sehr gefallen zu haben. Er gratulierte mir direkt; es sei eine so schöne Kombination von Theorie mit sehr realistischer Arbeit. Er will weiter lesen; ich solle mich nicht gedrängt fühlen. Mir ist das alles sehr angenehm.

Heute rief das State Dept. an: ob ich nach Wien gehen wolle. "Member of Council, branch legal-Division", was immer das sein möge. Bezahlung OK, & alle Privilegien punkto Wohnung, Essen etc. Ich sagte, ich könne nicht vor dem 1. Juni – 10. weg. Man werde sich bemühen die Leute in Wien, die mich anfordern, bis dahin hinzuhalten. Ich solle aber mediz. untersucht werden, geimpft etc bevor dem 1. Juni. – Mir wäre das ja so sehr recht, ganz bes. falls ich mich nicht über den 1. Okt. hinaus binden brauchte. Eine private Reise ist ganz ausgeschlossen & würde wahnsinnig teuer sein, wenn es ginge. Jetzt hoffe ich schon, daß es klappen möge & ich habe ein Gefühl, daß es werden wird. Habe sofort an Marget geschrieben, um ihn zu informieren.

Heute einen "Pressure Cooker" & etwas zu essen nach W. geschickt. Mo. werde ich noch ein Paket aus N.Y. senden (können jetzt 22 Pd wiegen). Keine Nachricht von den Eltern, nur eine 2. Karte, ein Dänenpaket bestätigend. Ein Brief von Hannchen, an den 45. Hochzeitstag (20. April) erinnernd.

Vorigen Samst. erstes Mal mit Dave reiten gewesen; ein herrl. Tag. Gestern war ich mit Fr. Weyl. Es blüht nun schon, war sogar 73°!

Viel mit Johnny gesprochen. Z.B. über Tinbergen als möglicher Kandidat. – Di. bei Gödels gewesen. Er findet immer neue Sachen über Leibnitz. Aber auch ernstes! Er will über seine Phil. schreiben, die, wie er glaubt, noch nie richtig dargestellt worden ist. Entscheidend für die Logik sei L's juristische Herkunft gewesen. Ferner erzählte er mir im Detail über seinen Aufsatz über das Kontinuumproblem; das er nun für unlösbar hält. Es wird ein sehr schöner Aufsatz werden. Was für ein Kopf!

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1945-47, Eintrag 1946-03-29
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.27)