OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1947-47 / 1947-04-30

Mi. 30. Ap. 47

Gestern 2. "Shot"; zwar weniger Fieber, aber heute war mir sehr flau, ich war müde & der ganze Körper schmerzte. Jetzt geht das aber rasch zurück; morgen wird mir fast normal sein. Aber dieser Tag war verloren.

Sa. mit Gödels in der Inn & dann bei mir. Nun soll sie Freitag fahren; das Schiff war kaputt. Er war sehr amüsant; erzählte des langen & breiten von seiner Idee daß man die Zahl der elementaren Notionen der Logik wesentlich erhöhen solle, & daß man überhaupt imstande sei eine nicht-abzählbar unendliche Menge von Dingen (d.h. nicht als Menge, sondern Objekte) zu denken. Zunächst nicht sehr klar, aber es ist nicht unplausibel. Ich glaube, daß er für diese "Vermutung" auch wieder einen Beweis hat. Ulam ist wieder hier; er hat ungeheure Bewunderung für Gödel. – Eben war Ulam hier bei mir. Er ist ein bes. netter Mensch. Wir sprachen viel von Atomic Energy. Er glaubt auch, daß man in 5-10 Jahren um den Mond fliegen wird. Er sagt, daß die Gefahr, man können einen ähnlichen Fortschritt wie den von den gewöhnlichen Temperaturen auf der Erde zu denen in der Bombe noch einmal wiederholen ausserordentlich gross seien; und dann sei die ganze Erde in Gefahr. Wenn man sich das alles wieder überlegt & die soziale-politische Welt anschaut, wird einem ganz schwummerig. So wenige Leute haben einen Begriff von alle dem. Meine Ökon. glauben mir nie, wenn ich solche Dinge sage oder über die phantastischen Möglichkeiten der friedl. Auswertung atomarer Energie spreche. In Europa wird man schon noch weiter von dem entfernt sein. Und so viel muß in den nächsten 5 Jahren geschehen.

Ganz gute Nachrichten aus Wien. Pakete kommen an, es ist Frühling & sie freuen sich auf meine Ankunft. – Ich reichte vorige Woche in N.Y. um den Pass ein. Bald muß ich den einen Pariser Vortrag aufschreiben. – Am Gold-Kapitel weiter gearbeitet. Mrs. Bell ist ausgezeichnet.

So. war ich mit Mimi am Meer spazieren. Um 7h fuhr sie weiter nach Wilm. Nett; Brief von ihrer Mutter, der sie absolut nicht schreibt. Was soll denn ich tun?! Ich begreife es nicht.

Mo. mit Marg. Smith nachtmahlen. Dann kam noch Mommsen her. Es war recht nett. Sie gefällt mir; bleibt noch 1 Jahr mindest. am R. Institut.

Ulam sagte mir wieder, daß Johnny ganz fundamentale Beiträge zur Bombe gemacht habe, nicht nur Verbesserungen etc. Ulam verehrt ihn überaus und sagt, es gäbe niemanden wie ihn; er sei so universell & tief.

Die "Games" bekamen wir am Samstag. Mit besserem Papier ist ein dickes Buch geworden; beinahe schade. Ich muß nun eine Liste machen. Der Off-set Druck ist ausgezeichnet gelungen. –

Gewitter. – Lese C. Levi: Christ stopped at Eboli. Sehr gutes Buch. Erinnert mich so an Taranto, etc. Ich möchte gerne nach Rom. Aber alles geht nicht.

Fühle mich wieder besser. Werde morgen OK sein.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1947-47, Eintrag 1947-04-30
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.28)