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tagebücher / 1947-47 / 1947-12-07

So. 7. Dez. 1947

Do. mit Neumanns bei Lahière. Dann Johnny bei mir, bis Klari ihn um 1130 abholen kam. Sehr intensive Disk.; er hat einen Brief von Turing, der ähnliche Ideen über dyn. der Spiele hat, wie ich neulich Johnny vortrug. Auch die Idee, dass es Oszillationen geben mag von Zurechnungen oder sogar, daß … vorgeschlagen werden mag weil man wirklich … (…), … haben möchte. Aber man kann natürlich nichts tun, als den frommen Wunsch hegen, daß es irgendwie gelöst werden möge. Noch so viel Arbeit dort. Dann viel über Math. im allgem.; bes. über Vectoran. (Ich lese wieder eine Menge & kann mich oft kaum trennen.) – Freitag früh mit Gödel & Einstein nach Trenton; G. sehr aufgeregt. Einstein war bes. nett & ständig amüsant. Er meinte, daß wenn er nur die Schwiegereltern seiner ersten Frau (ohne diese) bekommen hätte, wäre es fein gewesen. Aber: sie könnten nur serbisch & er kein Wort!! Ein Autogrammjäger kam: E. sagte mir, das seien die letzten Überreste der Menschenfresserei; in beiden Fällen wolle man sich den Geist des Gefressenen aneignen. – Manchmal erwähnte er "die ungeheure Gefahr, in der wir uns befinden"; es bedrückt ihn sichtlich. Von seiner Arbeit der Jahre sagte er: "Nobody who is anybody believes it." (von einem polit. Lied). Auch etwas Disk. über Sozialwissenschaft; er hält sie für entsetzlich kompliziert & meint die Hauptbeiträge seien in der Art breiter Beobachtungen wie z.B. Veblen; oder manches von Marx. Gödel schätzt er über alle Massen. Von den ökon.-math. Versuchen über Stabilität des wirtsch. Gleichgewichts will er gar nichts wissen (wie Johnny, Morse, Weyl … etc.), wenn man noch nicht einmal die Stabilität der Mondbahn, geschweige des Planetensystems kenne! Er sprach auch im Detail über die Geschichte der Entdeckung der kosmischen Strahlen. Die Wilson Kammer sei eine der schönsten Erfindungen je.

Wir sprachen auch über Kosmologie; er findet es für ganz selbstverständlich, daß es Leben anderswo im Universum gibt (ausserhalb unseres Sonnensystems). (Johnny meint, daß man gar nichts über die Wahrscheinlichkeit sagen kann, solange man nur einen einzigen Fall kennt; wenn man wenigstens über einen anderen Planeten wüsste.)

Lese Sherrington; sehr gut, obwohl zu viel am Anfang über J. Fernel. Ich frage mich, ob die Welt noch Überraschungen erleben wird wie mit: submikrosp. Leben, Radioaktivität, Grösse des Univ. Aber damit es wirklich überrascht kann man heute gar nichts sagen, also viell. keine Marsmenschen oder Geistern, sondern ganz etwas anderes.

Weyl ist noch ganz in sein Buch vertieft & hat noch zu einem der 5 Anhänge dazugeschrieben (über Struktur v. Systemen). Jetzt wird er aber bald abschliessen. Es wird sehr interessant werden.

In der Ök. nichts bes. los. Lese Kapt. XII. & werde bald mit XIII beginnen. Aber der Grad C. macht Arbeit. Johnny's Abhandl. besprochen; & Soz. Rechnung. Es geht aber schleppend. Die Stud. sind nicht wirklich gut; kein Feuer. Einige ganz gut (Mair, Osborn, Stolnitz).

Brief aus Wien mit besseren Nachrichten. Fr. Gödel ist gekommen, werde sie Dienstag sehen. – Gestern war Wald hier. Er hat eine Abh. über Spiele & Statistik geschrieben. Darin ein "complete class of strat." (in 2 p.gs) bestimmt, auf die man sich allein beschränken kann. Natürlich … viele Strateg.-Anwendung auf die Seq. Analysis. Er sagt es sei sein schönstes Ergebnis in Jahren.

Später. – Der Brief an Winnie ist abgeschickt! (Es wird wohl nichts werden.) –

Gestern kam Johnny zum Frühstück & schleppte mich dann zu Ladenburg ins Lab. um Photos von Airjets & ihren Stosswellen anzusehen (die Luft tritt mit über Schallgesch. aus). Sehr interessant. Sehr viel Arbeit darin, enorme Genauigkeit & Mühe. L. hat natürlich sehr viel auf dem Gebiete der Interferenz geleistet. J. rechnete lange & es zeigen die Experimente einen eigenartigen Widerspruch. L. erzählte noch von einem Vortrage eines Mr. Salisbury (?) über Kosm. Strahlen, wonach diese von ganz langen Wellen aus der Sonne erzeugt seien, die wie Akzeleratoren wirken. Ziemlich fantastisch. Ich staune immer wieder, wie man gleichzeitig ganz genau arbeitet & sich nicht scheut wilde Ideen zu probieren & schnell wieder fallen zu lassen.

Gestern in einem Mozart Konzert (4 & 5), schöne Musik, mässig gespielt.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1947-47, Eintrag 1947-12-07
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.28)