OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
diary-page
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1947-48 / 1948-01-20

Di. 20. Jänner 48.

Mimi kam Sonntag hier an, war Skilaufen gewesen. Sie hatte mir wirklich geschrieben, denn die Karte kam gestern verspätet. Sie hat eine Zehe gebrochen; war noch im Skianzug. Wir waren in Cranbury; tiefer Schnee, herrl. Sonne & einige Kälte.

Haberler rief an wegen Wien. Wir werden wohl in 2-3 Wochen etwas hören. Ich möchte & auch nicht. Ich möchte einmal 3 Monate Ruhe haben um das Buch fertig zu machen.

Gestern bei Milton White in Palmer & das Cyclotron besichtigt (sah es schon 1939). Auch Geigercounters etc. Was für ein anderes Leben als bei uns. heute Lunch mit Lyman Spitzer, der mir sehr gefiel. Er ist überzeugt, daß man in einigen Jahren einen Trabanten haben wird (wie Johnny), am besten mit einem Observatorium. Man wird auch sicher um den Mond fliegen & in 10-20 Jahren wird man auf Venus &/or Mars landen können. Jetzt versucht man festzustellen, ob am Mars Chloraphyll vorkommt (in den grünen Flecken). Was für eine Zukunft! Viell. muß so etwas geschehen, damit die Welt in Ordnung kommt. Etwas ganz neues muß geschehen, damit die Menschheit sich findet. Christus-ähnlich. Oder was damals geahnt war. Die Idee ins Weltall vorzustossen muß so viel mehr bedeuten als damals die Erde zu umsegeln. Dazu: damals lernte man unmittelbar nur wenig; heute würde man wahrscheinlich mit einem Schlage so viele Fragen entscheiden können, dass man geradezu ruckartig, sprunghaft, vorwärts käme (auch in den Anwendungen). Ich würde auch glauben, daß man qualitativ neues entdecken müsste, so wie z.B. die Gödelschen Fernkräfte, oder sonstige unerwartete & jetzt ganz unausdrückbare Dinge. (Falls wir nicht vorher alles kaputt machen). – Spitzer ist sehr nett & ich will ihn öfter sehen. Noch sehr jung. –

Gestern Dept. meeting. Nichts erschütterndes. Dong Brown ist ein konfuser Kopf, kein guter Dean. Wir brauchen einen neuen Chairman; D. Lester wäre viell. gut. Ich habe mich sehr für Buchanan (für die Int. Fin. Sect.) eingesetzt; aber sie wollen einen full prof. werden aber nichts anderes bekommen, ausser einen ganz jungen Menschen, der nicht zu sehen ist.

Haberler schrieb von Kaysen's Aufsatz (offenbar über die Spiele); habe aber nichts gesehen. H. bezweifelt den Aufsatz etwas. Also dürfte er arg sein. Werden sehen.

Lese die Korrekturen & werden sie Do. absenden. Muß einmal mich einige Stunden darauf konzentrieren können.

Viele allg. Notizen zu machen, über Spiele, Organisationen, & ihre Efficiency etc … Maximen etc. Alles ein Komplex von Problemen. Darüber liesse sich eine Menge schreiben; in qualitativer Weise die ganze Sache schmackhaft machen. Viell. werden das einmal Vorlesungen, zur Einführung in diese Gedankenwelt. Zeit, Zeit!! …

Ich brenne auch darauf, mit den Zeitreihen zu beginnen. Aber zuerst das Buch. Langweilig ist das intellektuelle Leben gewiss nicht.

Brief von den Eltern. Gestern für $ 14,- Medizin an Muttel, der es viel besser geht. Ancom hat auch Medizin geschickt. Aber ich kann einfach nicht an noch mehr Leute Pakete senden!

Do. wieder bei Dirac eingeladen. Er scheint mich zu mögen; lacht sogar! – Komisch, wie mehr ich in der Welt der Naturwiss. lebe, als in der der Ökonomen. Nur mit Viner geht es. Da gibt es einen persönlichen Kontakt & wir gehen 1 x die Woche essen. Sa. war ich abends bei Lutz! sie ging gerade weg & er schaut auf die Uhr, weil er ins Kino wollte. Also wozu versuchen! –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1947-48, Eintrag 1948-01-20
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.29)