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tagebücher / 1947-48 / 1948-03-07

Sonntag 7. März.

Schnee, Regen –. Mein Schreibtisch ist ein grässlicher Haufen. Ich sitze fast gar nicht hier, will nichts anrühren, bin fast nur im anderen Zimmer am Arbeitstisch & trachte vorwärts zu kommen. Wenn ich genug habe, mag ich kein neues Papier mehr anrühren. Es müssen noch Berechnungen für Kap. XIII. gemacht werden. Hoffentlich kann ich Marcus einspannen. Sonst habe ich niemanden. Das stört das Schreiben. Immerhin, es wird gehen.

Heute um 4 Geburtstagsfeier für Fetter; 85 und wie. 39 Jahre Unterschied. Was da alles passieren wird in den nächsten 39 Jahren!

Bei Gödels war es nicht sehr gut, sie hatten noch Mrs Norris dort, Fr. Gödel sprach englisch; abscheulich & laut. "You was …" etc. Daher konnten er & ich auch nicht viel sprechen. Das Essen war aber gut.

Mich interessiert wie weit man Probleme aus seinem Kopfe heraus bekommt, d.h. ob sie ganz verschwinden wenn man sie überwunden hat.

Später: Ich finde, das Mathematiker Sachen völlig los werden, über die sie gearbeitet haben. Aber mir gelingt das nicht mit vielem in der Ökon. Liegt das an mir, an den Problemen und/oder an den Antworten? Ich glaube an allen 3. Aber hauptsächlich daran, daß die Dinge nicht erledigt sind. So wie in der Philosophie. Oder daß man doch fühlt daß die "Erledigung" nicht echt ist. Oder daß die Probleme nicht richtig formuliert sind. Daher dieses ewige Wiederkehren selbst zu den Grundlagen & elementaren Fragen. Aber in der Hinsicht ist das auch in der Math. so. Schliesslich hat man auch die klassische Mechanik wieder in Frage gestellt, als man die Relativitätsth. entwickelte & ihr einen etwas anderen Platz im Gesamten zugewiesen. Alle Detailprobleme wurden bestätigt. Dies sind interessante Fragen, über die ich schon oft nachgedacht habe & die ich mir weiter überlegen möchte. –

Vorhin Tee bei Douglas Brown. Für Fetter. Ganz nett. Viner schaut sehr frisch aus. Es scheint ihm zu behagen. Dodds kam auch; farblos wie immer. Er hat nur eine Niere. –

Wieder zu meinen Zeitreihen zurück. Dann über die Vorlesung nachdenken; ist aber ganz einfach & kam schon im Grad. Course vor. Kenne das alles.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1947-48, Eintrag 1948-03-07
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.29)