OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1947-48 / 1948-04-07

Mittw. 7. April.

Ergänzung: Mit Johnny viel über Nerven, Augen etc gesprochen. Immer weiter Dinge kommen zum Vorschein. Er meint, daß das Gehirn mit einem ganz anderen Zahlsystem arbeitet, als unsere Arithm. liefert. Bes. kein Dezimalsystem. So wenn z.B. zuerst eine allg. Information an das Gehirn übermittelt wird & dann erst die Details geliefert werden. Über Politik haben wir kaum gesprochen, aber ich erzählte ihm von Maximilians Beamtenreform, der Entwicklung der Theorie des positiven & negativen Kompetenzkonfliktes im mittelalterlichen Burgund etc. Ich denke immer wieder an die Probleme der Organisation.

So. Abend & gestern kam Dorothy zu mir. Gestern hörten wir in McCurther Stokowsky einen Bach ("Wachet auf".) & die 7. von Beethoven; sehr gut. Dann zu mir. Sie war in beiden fällen reizender denn je. Ganz unbefangen & sah entzückend aus in meinem blauen Pyjama. Leider ist nicht ganz wohl; hat Schmerzen in der Hüfte, will aber wieder zu Dr Belford gehen. Dorothy tut mir sehr gut; ich fühle mich bei ihr & in ihrer Gesellschaft so ausserordentlich wohl. Samstag wollen wir nach N.Y. einkaufen & zur van Gogh Ausstellung, falls es ihr gut genug geht.

Habe in Wash. Somary getroffen & mich sehr gut gesprochen. Er ist schon sehr intelligent & hat einen weiten Blick, auch wenn er öfters aufschneidet. Er empfahl Cuban Atlant. Sugar Co & ich habe 100 Aktien gekauft ($ 1900.); das gibt fast 20% Rendite. Die Firma besitzt die Hershey Choc.; Dor. & ich kamen in H. durch & besichtigten das phantastische Hotel auf dem Berge. Was für ein Stil!! S. glaubt immer noch an Krieg in 2-3 Jahren; glaubt, daß US ökon. viel schwächer ist, als man denkt & sich mit der Stützung der ganzen Welt sehr übernimmt.

Marget sah ich Sa. p.m. Er ist für 2 Monate in der Treasury. Will dann ev. in die Am. Univ., was nicht schlecht ist. Aber er geht erst nach Wien zurück wo wir ihn sehen werden. Ist ein netter Mensch. Wir werden ihn zu einem Goldenw. Seminar herbringen.

Haberler schrieb, daß sie das Programm in Chicago ausgedacht hätten. Passt mir aber nicht über Konj.theorie zu lesen. Das ist ja doch ein Saustall. Ich will über die Th. der Spiele vortragen, Nutzenmessung, Nachfragekurve, & über die internationale Ausbreitung der Konj., worüber ich etwas zu sagen habe.

Vorlesungen gehen weiter.

Von Hannchen einen tief erschütternden Brief. Sie leidet an einer sehr schweren Neurose & müsste dringend in Behandlung. Werde das mit R. Gödel besprechen, wenn es noch so lange hält. Was für ein Jammer. Sie leidet fürchterlich & es ist nicht zu sehen, wie es von alleine besser werden kann. Mit Muttel geht es auch schnell bergab, obwohl es bessere Zeiten gibt. Ich fürchte sie wird nicht mehr lange leben.

Vatel will, daß ich je ein Paket an 2 seiner Freunde schicke. Das geht doch einfach nicht so weiter. Dazu noch Hafners, Vosslers etc. etc. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1947-48, Eintrag 1948-04-07
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.29)