OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1949-50 / 1949-05-02

Montag, 2. Mai 1949.

Erste Eintragung seit vielen Wochen. Jetzt sind wir in der neuen Wohnung, 72 College Road. Wir sind am 21. April hier eingezogen & noch am selben Abend servierte Dorothy ein Dinner bei Kerzenlicht, Huhn mit Reis. – Die Wohnung ist recht nett, sogar sehr angenehm falls es mit den Nachbarn klappen wird. Auf der einen Seite die Tucker (3 Kinder) auf der anderen ein junges ital. Ehepaar, Crocco. Aber wir sind noch alleine. Es ist noch sehr staubig, weil die Strasse erst gebaut werden muß. Aber das Grass ist gesät & es wird bald grün werden. Später wird man Bäume & Sträucher pflanzen. Meine Study ist sehr gut, schaut in die Ferne; die Bücher können erst in 2 Wochen aufgestellt werden. Dann erst kann das 3. Zimmer in Angriff genommen werden. Das Wohnzimmer ist sehr gross (25 Fuß lang) & die Küche ausgezeichnet. Wir haben einen GE Refig. gekauft ($ 300.-). Jetzt auch Porzellan etc. so daß wir 6 zum Essen sein können. Johnny war unser erster Gast, & Richtmyer. Gestern war er auch wieder hier, mit Kuratowsky & Moztovszeff; die beide in den nächsten Tagen abreisen. M. sagte: Gödel ist ein "supernatural being". – Weyl kam vor über einer Woche & brachte Blumen & Champagner. Wir werden ihn bald einladen.- Das Schlafzimmer ist sehr gut, aber noch unfertig. Es ist äusserst angenehm, ein Zimmer zu haben wohin man sich ganz zurückziehen kann! Dor. scheint mit allem recht zufrieden zu sein & sowie alles in Ordnung ist, wird sie es viel leichter haben. Die Wirtschaft in der Nassau Street war uns beiden unerträglich geworden: immerzu ausgehen müssen, keine Küche, kein Platz für die Kleider etc. Hier werde ich auch wieder Arbeiten können & ich freue mich schon darauf.

Wir haben 2 Matrizen 18x18 nach Wash. geschickt, wo sie invertiert werden sollen. Mit allen Schikanen für Kontrolle etc. Ich bin sehr neugierig. Es war viel Arbeit, aber nun ist es vielversprechend. Das Memo über Accuracy ist nun im 1. Teil fertig; etwa 65 Seiten. In 2 Wochen werden wir den 2. Teil haben, den ich kürzer halten will. Das ist für Chicago bestimmt (20. Juni).

Die Reise nach dem Süden war sehr angenehm. Alles ging gut. Schönes Wetter, herrlich in Tryon, nett in Charlottesville (Old Ivy Inn); in Athens gut aufgenommen, Sebba sehr freundlich & sichtlich erfreut. Die Vorlesungen dort & in Atlanta gingen ganz gut. Habe u.a. über Common Sense & Econ. gesprochen & es lässt sich einiges sagen, aber es ist auch etwas missverstanden worden (z.B. von Swansson). Charleston hat mir bes. gefallen; das Wetter war herrlich dort. Dorothy schien sich sehr wohl zu fühlen. Wir waren 10 Tage fort. Die nächste Reise geht nach Chicago. (Ich muß aber auch in Wash. im IM Fund sprechen; Ende Mai). Ich denke wir sollten doch schauen dieses Jahr nach dem Westen zu fahren; wer weiss was dazwischen kommen kann – ich habe das zu oft gesehen. Johnny meint nun, daß der Krieg nächstes Jahr schon wahrscheinlich ist. Trotz (oder wegen) der Friedensouverturen wegen Berlin (die offenbar stecken geblieben sind).

In der Univ. nichts bes. neues. Games Semin. einige Male & gut. Freitag spricht Nash über das Bargaining Problem. Dann ist ein Dinner für die Leute vom Advisory Council. Grad. Course machte mehr Arbeit als ich dachte. Nun ist das bald vorbei.

Mit Marcus ständig im grossen MSS vorwärts gedrungen. Sowie der Report aus dem Wege ist werde ich es mir im Detail vornehmen. Es muß einfach aus dem Wege geschafft werden. Es graut mir davon. Denn ich habe auch fundamentale Einstellung geändert. Am besten würde mir behagen, das ganz wegzuwerfen. Jedoch enthält es einige Information, die manchen nützen kann. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1949-50, Eintrag 1949-05-02
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.31)