Mi. 1. Nov. 1950
Ich sitze an dem Schumpeter Obituary, aber finde es viel schwieriger, als ich gedacht habe. Das Material ist da, aber ich kann mich nicht zu Haberlers Enthusiasmus aufschwingen und möchte doch nichts allzu flaches sagen. Er war so sehr showman, daß man das nicht alles schlucken kann. Jedoch, bis Montag will ich das fertig haben.
Weiter mit der Reise: Vossler ist bitter; er ist auch Metaphysiker etc. Sein Vortrag (Oxford) über Objektivität in der Geschichte ist gut, im kritischen, aber seine positiven Ideen sind unmöglich. Ich traf in F. noch Katona & Frau; sie waren froh wieder nach US zurückzukehren. Es ist viel besser in F., Geschäfte, Rest. alles zu haben, aber es ist doch eine unangenehme Stadt & ich mochte es nicht leiden. Froh nach München zu fahren (Schlafwagen, mil. Train). Dort sah ich Oskar Anderson in seiner Wohnung. Er ist weniger verändert, als ich gedacht hatte. Frau, 2 Söhne, Schwiegertochter, Enkel. Sie ist nett. A. & ich hatten lange Unterhaltungen über Fehlertheorie, input-output & Statist. im Allg. Es ist klar, daß er die Th. der Spiele nicht verstanden hat, mein Aufsatz, der nun im Arch. erschienen ist, sollte ihm & vielen anderen helfen. Ein Sohn ist auch Statistiker u. Ökonom.
Dann kam Salzburg. Hannchen kam erst, dann am folgenden Tag Vatel. Wir wohnten im Kasererbräu, recht gut. Es war rührend zu sehen, wie sie sich beide freuten. Vatel ist gealtert, aber doch sehr gut beisammen. H. sah müde aus, obwohl sie 3 Wochen Urlaub hinter sich hatte. Muttel ist in hoffnungsloser Lage und es ist ein Jammer, daß ihr Leiden so schwer ist. Manchmal erkennt sie H. gar nicht & verwechselt sie mit Dorothy etc. Die Krankheit erfasst den ganzen Körper und sie wird nur mühsam durch Injektionen am Leben gehalten. Ich konnte mit ihr telephonieren & sie sagte, wie sehr sie sich freue, daß wir 3 uns treffen konnten. Ihre Stimme war kaum zu erkennen. Es war schmerzlich, daß dies unser einziger Kontakt war.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.32)

