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tagebücher / 1950-53 / 1951-04-05

Do. 5. April 51

Sonntag mit Carl zu Dorothy's Eltern, wo noch Frieda & Virginia waren. Etwas anstrengend, da 3h jede Richtung in dichtem Verkehr. Aber alles ging glatt & C. hat es gut überstanden. Für uns war das interessant, weil es eine Idee gibt, wie es mit einer Überland Reise nach Calif. sein wird. Der Besuch war anlässlich D's Mutter's 70. Geb. (der auf den 4. d. fiel). Das Essen war gut aber es gab einige Schwierigkeiten unter den Frauen. Aber das war unter der Oberfläche. Gestern waren wir wieder in N.Y. und kauften 2 Stühle; dann gingen wir zu Dr Kauptners zum Dinner, wo Dr Viktor Bloch & Frau waren. Seltsam, sie seit 1937 wiederzusehen. Wenig verändert, natürlich älter. Er ist ein Schmock wie immer, aber trotzdem ganz nett, von Zeit zu Zeit. K.'s Frau ist eine Tochter von F. v. Mendelssohn. Sie haben einige gute Bilder (Ruisdaal, ein ungewöhnlicher Degas, Manet etc.), aber sie sind nicht zu vergleichen mit Goldschmidts.

Die Unterhaltung war gut, z.T. Erinnerungen z.T. über Engl. & US. Die Blochs haben ihr Haus im Londoner Blitz verloren.

Do. vorige Woche in N.Y. bei T. Anderson & Wolfowitz wegen des Wald Obituary. Auch Mr. Peter Frank interviewed, der eine Stelle haben möchte & eine Möglichkeit ist, falls wir genug Geld haben. Dann bei Wiley wegen ev. Publikation des Bandes des Projects. Schliesslich bei Rainolds (Harcourt Brace), wo eine kleine Party für R. F. Harrod war, anlässlich seiner Keynes' Biography. Er war ganz nett, seine Frau auch. Ferner, u.a. Lady Jeble, Stuart Chase, A.A. Berle, etc. – Es war ganz akzeptabel und einmal etwas anderes. Jetzt lese ich die Keynes Biogr., sie ist zu detailliert (am Anfang) & zu bewundernd. So gut war er nicht!! Man denke an Johnny, Gödel, Hermann. G. geht es besser, aber ich habe ihn seit einigen Tagen nicht gesehen. Gestern war er in N.Y. & nächste Woche bekommt er X Raysdort. Endlich!

Später: Gestern brachten Bloch & Kempner wieder die Phrase auf, daß "Kriege doch gar nichts entscheiden". Was für ein Klischee und für ein Unsinn. Hier in US gesagt: Freiheitskrieg, Civil War. – Oder die Entsetzung Wiens im 16. Jahrh. die schliesslich entschied, daß Europa nicht mohammedanisch wurde. Oder WW II, der Hitler beendete! Und der nächste wird entscheiden, daß Russland nicht die Welt beherrschen soll. – Es ist merkwürdig, wie schnell und gedankenlos die Leute diese Phrase nachreden.

Einen Aufsatz von Savage über Wald's Decision functions gelesen (J. A. Sta. A.). Ich habe ein unbehagliches Gefühl, daß bei der Waldschen Theorie irgend etwas faul ist, aber nicht das, was die Kritiker sagen. Ich kann aber meinen Finger nicht darauf legen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1950-53, Eintrag 1951-04-05
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.32)