OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
tagebücher / 1950-53 / 1951-06-05

Di. 5. Juni

Heute war F. Lutz zum Tee hier. Er fährt morgen auf über 1 Jahr nach Freiburg. Ober er wiederkommt? Es war sehr nett. So ist es immer, wenn Vera nicht dabei ist. Es ist schade, daß Friedrich & ich nie wirklich intime Freunde geworden sind. Dorothy – die überaus intelligent ist und es immer wieder zeigt! – meint wohl ganz richtig, daß wir in vielem zu ähnlich sind: deutsch, Theorie, etc.

Das Semester ist ganz vorbei. Sa. zum Supper bei Neumanns, Köstlers waren. Er langweilt mich mit seinen Konversationen über Wissenschaft. Es ist so pseudo. Der arme Johnny mußte endlos Rede & Antwort stehen. Als er sich dann zu uns setzte, fragte ihn Dorothy: "And what do you think about the scattering of Mesons?" Er verstand sofort die Anspielung auf den Südamerikaner, der einmal so fragte. Morse's waren auch dort & viele andere. Mit Johnny kurz über meine noch nicht ganz ausgebrütete Idee gesprochen, daß man eine Comm. gründen solle, die Operations Research für Gewinn macht. Ich glaube, das müsste gehen. Morgen werden wir darüber ausführlicher reden. Der Gedanke war ihm neu, aber leuchtete ein. (Vorhin sah ich daß "Tracerlab" eine Kapitalserhöhung von etwa 2.5 Mill $ macht. Begann 1945 mit nichts). Geld ist überall zu finden, man muß es nur aufgreifen. Das Beispiel vom Wall St. J. zeigt es in gewissem Sinne.

Ich ärgere mich immer mehr über Woodbury. Wenn das so weiter geht, bleibt er mir nicht länger als bis '52. Peter Frank ist gekommen & Bernstein hat auch begonnen. Beide scheinen sich gut anzulassen. Nun muß man gute Probleme für sie finden. Ich schreibe den deutschen Aufsatz jetzt nicht. Muß den Wald-Nachruf machen. Gödels waren neulich hier. Er bekommt seinen Ehrendoktor von Yale (nicht Harvard) anlässlich deren 250-Jahr-Feier. Er ist in sehr guter Verfassung. Im Herbst wird er wohl doch nach Öst. oder der Schweiz fahren.

Vatel schrieb etwas besser über Hannchen, die Ausflüge macht, Tees gibt etc. So wird sie auch allmählich über ihre Trauer hinwegkommen. Vatel ist sehr brav und ich freue mich, ihn sehen zu können. Beide werden eine solche Freude an allem, vor allen an Carl haben. Carl entzückt alle Welt. Neulich zeigten wir ihn das erste Mal Mrs. Fetter. Es war rührend.

Viel Regen. Das Gras wächst. – Es ist sehr schön hier. Wir geniessen Haus und Garten. Dor. ist noch recht müde, aber es wird immer besser.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1950-53, Eintrag 1951-06-05
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.32)