OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1953-55 / 1953-12-23

Mi. 23. Dez.

Gestern kam K. Midutani. Sehr wenig verändert nach 20 Jahren. Wir luden ihn & Shubik zum Nachtmahl ein. Es war ein sehr gelungener Abend. Z.T. weil wir den neuen Tisch einweihten, der gerade gekommen war. Wir hätten ihn schon längst haben sollen. Ich bin froh, daß es endlich zustande gekommen ist. Midutani hat eine phantastische Rechenarbeit gemacht, die 9 Jahre gedauert hat! Wie das heute anders aussieht mit den Elek. Computers. Er bleibt 3 Monate in US, davon 1 Monat in Princeton bei mir. Ein nettes Kompliment. Er hat sich offenbar ziemlich mit Game Theory beschäftigt, die in Japan nun zunehmend studiert wird.

Heute früh wollte Carl wieder lesen & schreiben. Er schrieb 8 Buchstaben von allein auf (O, Q, I, H, N, D, V, L)! Manche etwas wackelig, aber völlig klar. Dann verlangte er, daß ich ihm mehr & mehr Worte aufschreiben solle. Die er schon gesehen hatte, erkannte er fast alle wieder; neue lernte er rasch. Später setzte er sich zu Dorothy, brachte Papier & Bleistift & sagte, sie solle Worte schreiben. Er buchstabierte sie, meistens richtig, z.B. Dada, Mama, Cat, Carl, Bill usw. Ich finde das einfach erstaunlich. Ihm scheint das ganz natürlich. Wenn er ein Wort nicht sofort erkennt, atmet er manchmal tief. Wenn ich frage, ob er es wisse, sagt er: "Wait, Dada, I am thinking"! Man glaubt gar nicht ein 3 jähriges Kind vor sich zu haben. Wenn er manchmal irgendetwas anstellt, sagt er oft: "I am sorry, I did not mean to do it" (genau mit diesen Worten). Es wird rapide so weiter gehen. Heute nachmittag sagte er Dorothy (wir fahren allen nach Wash.), er wolle als erstes in Wash. in die Natl. Gallery gehen & sich dort Bilder anschauen. Dann wolle er auf einer Trolley fahren & dann spielen (in der Ordnung)! Weihnachten beschäftigt ihn, aber er ist nicht aufgeregt. Dabei ist er von einem Charm, der jeden bezaubert. Das war gestern Abend wieder sichtbar. Er isst immer mit uns, mischt sich kaum in unsere Unterhaltung, lacht mit uns & fragt dann oft "What is so funny?" Gelegentlich fragt er: "What are you talking about?" & will wenigstens eine kurze Erklärung haben. – Heute sagte ich ihm, daß nicht alle Buben ein Bad haben täglich, weil es nicht so viele Badezimmer gäbe. Wörtliche Antwort: "Dada, it is complicated (!) to make a bathroom in a house. Therefore (!) it costs a lot of money, that’s why." Was soll man sagen!

Ich arbeite nun an meinem Beitrag für die Round Table Disk. über Aussenhandel. Habe das Allen-Ely Buch zu lesen. Ferner muß ich über die Diskuss. über Games nachdenken. Viel zu tun bis Samstag Abend. Wir fahren Sonntag früh. Mo. Mittag bin ich von Ivar Rooth zum Lunch im IMF eingeladen. Wiley telephonierte heute: sie werden unser Buch ("Contributions") publizieren. Es sei eine Ehre, dieses Buch zu haben etc. … - Die Univ. Press soll sich dies hinter die Ohren schreiben.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1953-55, Eintrag 1953-12-23
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.33)