OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1955-57 / 1955-12-12

Mo. 12. Dez.

Weyl wird uns allen sehr abgehen. Ich verdanke ihm unendlich viel, von 1927 angefangen, als ich seine "Philosophie" las, die mich von vielem gerettet hat. Er besass die beneidenswerte Gabe sich am Leben so erfreuen zu können. Alles was er gerade tat war ihm ungeheuer wichtig und erfreulich, ob das nun Math. war, ein Spaziergang, ein Dichter. Natürlich war er uns die letzten Jahre etwas entrückt, wegen der kurzen Aufenthalte in Princeton. Er ist gar nicht krank gewesen. Frau Artin war bei seiner 70. Geb.feier und sagte, es sei sehr nett gewesen, seine Heiterkeit habe alles überstrahlt.

Vorige Woche (endlich!) den Sandia Bericht abgeschickt; ich glaube er wird ihnen etwas gutes tun. Do. kam Mr. Thornton (AEC) (ich war Mo. im Bett & ging nicht nach Wash.); er war nett, will die AEC verlassen & sucht Leute. Ich riet ihm T. M. Whitin als Chief Economist & Shephard als Dep. Director, der Thorton's Stelle übernehmen könne. Gab ihm noch andere Hinweise. Er will mit mir öfter konferieren, viell. noch vor Weihnachten. Er hat eine Vergrösserung seines Office bewilligt bekommen, aber nun ich mir das überlegt habe, erscheint es mir als noch ganz ungenügend. Er las meinen S. Bericht & er fand viele Punkte von Interesse für ihn.

Charney sprach neulich mit Johnny. Es geht passabel. Man hat mit den Bestrahlungen begonnen & seine Rückenschmerzen haben nachgelassen. Aber er ermüdet leicht & braucht viel Schlaf.

Sa. Xmas Party hier: etwa 40 Leute, Studenten, Office, 2 Wigner, 2 Wheeler, 2 Tukey, 2 Buchanan (dem es sehr gut geht), 2 Coele (eben aus Indien zurück) etc.

Gestern wieder im Bett um meinen Husten los zu werden. Es ist viel besser; ich bleibe heute noch im Haus. Es ist kalt & windig (die Spintex Insulierung bewährt sich sehr).

Lese Thomson: The Forseeable Futer. Kann sich mit Johnny's Aufsatz nicht vergleichen. Auch ein Buch über Energie (1952). Wie falsch die Atomenergie gesehen wird, selbst mit den damaligen öff. Informationen hätte man mehr machen können. Ferner M. Higgins' über Russland, ganz interessant, sie fällt wenigstens nicht in die "Geneve Spirit" Falle.

Jetzt wird mehr über Atlas, Redfern, bekanntgegeben, aber hier denkt alles nur als ob das nicht existiere! Die Leute stecken den Kopf in den Sand.

Morgen Dept. Meeting, Mittwoch zu Scheides (Bach Aria Group).

Später: Vorhin mit Johnny telefoniert; er hat weniger Schmerzen, aber man kann noch nichts sagen wie die Behandlungen wirken, er ermüdet leicht & sei momentan sehr verärgert weil "die Behörden" vorgeschrieben haben, daß er ein Mieder tragen muß um den Rücken zu stärken & das sei sehr lästig. (Bes. bei seinem Volumen!) Er sei betrübt wegen Weyl. Ob ich nicht bald kommen könne? Er werde bald anrufen um etwas auszumachen. Was für eine arme, betrübliche Sache!

Später: Shephard tel. von Albuquerque. Ob ich nicht kommen wolle etc. & über Thornton etc. – Viell. werde ich nach Xmas auf 1 Woche hinfliegen. Er lese gerade meinen Bericht.

Die Ford Found. hat eben bekanntgegeben, daß sie 500 Mill. $ verschenken!! Was für Dimensionen. Man schätzt ihr Vermögen auf 3.500 Mill.! Princeton bekommt etwas über 3 Mill. Da sollten sie nun imstande sein, mir ein anständiges Gehalt zu zahlen!

Alexander Mahr hat mich eingeladen Mitherausgeber der ZfN zu werden. Man hat Werner hinausgeworfen. Er will das "Niveau wieder heben". Ich werde annehmen, über referieren vorschlagen & eine Änderung des Tones verlangen, der auf Mayer-Werner zurückgeht.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1955-57, Eintrag 1955-12-12
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.34)