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tagebücher / 1955-57 / 1956-09-27

Do. 27. Sept. 1956

Nun bin ich seit dem 17. Sept. wieder in den US, in Washington aus Paris gelandet; vorgestern sind Dorothy & Carl in N.Y. mit der "America" angekommen. Ich holte sie ab. Am 17. sah ich Johnny, der schon etliche Male nach mir verlangt hatte. Er liegt im Bett, hat keine Schmerzen, aber bereits einen Herzschlag; (heute tel. Dorothy mit Klari & sie erfuhr, daß Johnny 3 weitere Attacken hatte & eine Konvalsion!). Johnny ergriff meine Hand & hielt sie für eine ganze Stunde. Seine Augen waren ebenso glänzend wie immer & er liess sie nicht einen Moment von meinem Gesicht. Er sprach mit Mühe, sehr freundlich & warm: was wir für gute Freude gewesen seien, niemals ein Schatten über uns. Er sagte ich solle eine Erfindung machen & ich könne es, aber es war nicht klar, was er meinte. Er hatte mir etwas ganz spezielles zu sagen, aber er konnte es nicht mehr herausbringen. Die Starrheit ist aus seinen Zügen & Augen verschwunden. Es war sehr traurig ihn so zu sehen, aber etwas versöhnliches, ruhiges. Fast habe ich das Gefühl, daß dies der Abschied war. Ich versprach bald wieder zu kommen, sowie er mich brauchen kann; & ich werde in Kürze wieder hinfahren.

Ich konnte Johnny sogar noch einiges erzählen. Z.B. über mein Schema einer "Navy … out fixed Bases" das bei Saceur & jetzt in Wash. so sehr beachtet wird. Er ist sehr dafür; ebenso wollte er über die Europa Reise hören.

Klari erzählte von dem Material das Life Mag. vorbereitet & wofür ich aus Zürich telegrafiert hatte. Was ich schrieb ist jederzeit druckfähig. Man muß jedoch fürchten, daß der ganze Artikel schlimm sein und auch über das unwesentliche reden wird.

Unsere Zeit in Europa war erfolgreich. Ich sprach an 10 Universitäten & Hochschulen und wurde sehr gut aufgenommen. In München hat alles, glaube ich, einen guten Eindruck gemacht. Predohl war rührend in seiner Anhänglichkeit. Die Theory of Games soll ins Deutsche übersetzt werden, das Land Nordrhein-Westf. will das Geld aufbringen. Mein Vortrag bei der Gen. Vers. von Phoenix-Rheinrohr & der vor der Arbeitsgemeinschaft in Düsseldorf sollen gedruckt werden. Ferner soll eine Neuauflage der deutschen Übersetzung der Accuracy gemacht werden (aber erst muß ich den engl. Text herstellen!).

Ferner soll ich eine Berufung nach Basel erhalten. Salin bemüht sich um mich. Ich habe weder ja noch nein gesagt. Wir hörten davon als wir in Zürich waren, wo es Dorothy wieder sehr gut gefiel. Wir fuhren nach Basel um mit Salin zu sprechen & verblieben dabei, daß ich ihm Daten über mich senden soll, was ich tat. Obwohl Europa einen starken Eindruck machte & von allen Ländern nur die Schweiz in Betracht käme, kann ich mir, hierher zurückgekehrt, nicht vorstellen, daß ich dorthin je wieder zurück sollte. (Ich sprach Johnny davon.) Nun läuft das aber wohin es will & wir werden sehen. Man sollte mir das höchste bieten, z.B. Pension mit vollem Gehalt etc. Noch ist es kein festes Angebot.

Wien gefiel mir gar nicht und lässt mich kalt. Es war jedoch gut, einmal das Grab der Eltern zu sehen und ihnen Respekt zu erweisen. Hannchen hat alles sehr schön gemacht, leider übertreibt sie mit wirklichem Kult. Dorothy & Carl sind auch gegangen und am Tage vor der Abreise nahmen wir alle gemeinsam Abschied.

Wir hatten gute Erholung in Gmunden – in Zürich. Nicht viel, aber spürbar.

Bes. interessant war es in SHAPE, Paris (Sageur). Mein Navy Proposal interessierte sehr & wird Gen. Norstad gegeben. Ich diskutierte es mit Gen. Schnyler (Chief of Staff) Mr. Rigway Knight (seinem Polit. Berater), Adm. Ramsey u.a. Dr Davidson, der Scient. Adv., veranlaßte, daß ich in Wash. vor das Ad hoc Com. on Sea Planes vorgeladen wurde, das der Ass. Secr. of D. for Res. & Dev. aufgestellt hat. Dort wurde alles genau durchbesprochen. Capt. Richardson (BuAir & AEC) hatte es schon vorher erwähnt & sogar mein Memo vom April verteilt! Es ist möglich, daß die Idee direkt zu Eisenhower geht. Ich fahre bald nach W. um W… Jackson zu sprechen 8Princeton, Spec. Adv. to Eisenhower für for. Aff. & Ntl. Security Council). Wir waren im May bei Jacksons hier auf ihrer Party & er möchte, daß ich zu ihm nach W. käme. Wir wollten das nach meiner Rückkehr hierher besprechen. Aber ich nehme nichts an (falls überhaupt) bis die Wahlen vorbei sind!

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1955-57, Eintrag 1956-09-27
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.34)