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tagebücher / 1955-57 / 1957-01-04

1957

Sylvester verbrachten wir bei Buchanans, blieben bis 2h. Es war recht angenehm; etwa 20 Leute. Etwas früher Lunch mit Wigner & einem ungar. Flüchtling (Physiker), der interessant erzählte. Der Ursprung der Revolution scheint intellektuell gewesen zu sein, aber die Waffen haben die Arbeiter beschafft, die wussten wo sie aufbewahrt wurden. Die Armee hat mit den Leuten mitgemacht. Aber dann kamen die Russen, die gar nicht wussten, wo sie waren. Manche hatten Karten von Budapest mit der Inschrift "Berlin". Und es soll wahr sein, daß viele glaubten, die Donau sei der Nil!

Neujahr hatten wir Gerry Thompson am Abend hier. Er ist gestern heimgefahren. Diesmal ist nicht viel aus seinem Besuch herausgekommen, aber es wird wieder besser werden. Seine Mutter hat Krebs & es ist unheilbar.

Wir telefonierten mit Klari. Sie hat ein Geschwür am oberen Magen; gar nicht gut. Das kann wirklich gefährlich werden. Johnny ging es wieder etwas besser & er sprach einige Worte, verfiel dann aber. Das Elend dort!

Gestern bei Dean Taylor (Wigner wollte unbedingt, daß ich ihn sehe). Er jammerte daß er nur $ 4000,- Ruhegehalt bekomme, sagte, daß Geld nicht viel bedeute. (Offenbar für andere!) und war verblüfft, das Pension zu vollem Gehalt vorsieht. Er sagte nicht, daß ich bleiben solle. – Heute traf ich Dong Brown am Campus. Er war zuckersüss, leutselig etc. (!) Chandler rief mich an, daß Dodds nun alle meine Papiere habe und ich ihn Montag sehen solle. Da wird sich nun zeigen; Taylor sagte ich sei in den obersten 10% der Gehälter; aber ich sagte ihm, dass dies nicht genüge. Ich sagte, man solle das Lehrgeld verdoppeln. Er war erstaunt über diesen Vorschlag. Dabei ist das so einfach.

Gestern eine Besprechung über das Mu Modell. Es geht vorwärts; ich nehme viel mehr teil und das treibt an & war nötig. Wir werden Mo. wieder über Shupp's Bericht sitzen. Der wird vervielfältigt werden.

Ich habe kaum etwas von dem geschrieben, was ich während der Ferien tun wollte. Jetzt kommen insbes.: Chpt. XII, Düsseldorf Vortrag (Text verloren), & "Accuracy" (letzteres möchte ich bis zum Sommer fertig haben).

Am 18. fahre ich nach Albuquerque, Sandia. Capt. Richardson, Capt. Outlaw, Dr Wilkes wollen auch hinkommen.

Carl ist entzückend. Wir sind heute etwas spazieren gefahren. Unterhaltung über: Sklerosis, Geisteskrankheit, Eiszeit. (!) Er brachte die Themen auf. Wo man jemanden trifft, der Carl kennt, hört man ein Kommentar. Es ist schon merkwürdig.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1955-57, Eintrag 1957-01-04
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.34)