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tagebücher / 1955-57 / 1957-02-03

Sonntag 3. Feb.

Heute kam Martin Shubik; ich hatte einen Brief von Terardi (Wiley), daß sie gerne sein MS wieder hätten. Sie werden wohl das Buch publizieren. Er wird ihnen das MS in 4 Wochen geben können. Werde ich froh sein, wenn das Werk erscheint! Er war sehr nett; ich habe jetzt niemanden hier, mit dem ich alle die Dinge diskutieren kann, die wir immer besprachen. Er wohnte bei Baumol. Dieser entpuppt sich mehr & mehr als Streben & Geschäftemacher. Neulich gab er mir einen Aufsatz über Spieltheorie (im MSS), dunkel, obskur. Auch Martin begriff ihn nicht. Wo sind seine Beiträge seit 1948 geblieben? Ohne Ideen (bisher). Das bringt mich wieder & wieder zu der alten Frage: wie erkennt man Talent, Schöpferkraft, Neues? Wer wird "staying power" haben & wer ist bestens, nur ein "Flash in the pan" (obwohl das auch etwas wert ist!)?

Jetzt lese ich in Vol. VIII der Camb. Anc. Hist., den mir Dorothy zu Weihnachten gab: Polybins, die Punischen Kriege, Hannibel, Scipio. – Auch vieles was ich dem Gymnasium lernte kehrt zurück – in anderem Lichte, geklärter, aber es ist dennoch da. Die stete Änderung, wie nichts bleibt, kaum eine Erinnerung. Sie muß festgehalten werden, sonst verweht alles. Wenn ich jetzt mit den jungen Leuten rede, wie Quandt, Kuenne, etc., so haben sie selbst von der Zeit der Wiss.entwicklung die ich selbst mitgemacht habe, nur vage Ideen, dort wo ich prüfen kann. – Was für ein Pallavatsch unsere Geschichtsschreibung danach sein müßte – und vielleicht ist. – Ich glaube, daß am meisten unterschätzt ist die Entwicklung der Erfindungen & der Technik. (Wie überhaupt die Technik für die Wirtsch.wiss. eine viel grössere Rolle spielen sollte. Hier entwickelt sich ein neues Thema für mich – schon seit langem. Das hängt mit meinen Ideen über die "Konstanten" zusammen.

Der Aufsatz, den ich für die Hotelling Festschrift schreiben soll, könnte sich damit beschäftigen.

Eben höre ich mir das Archduke Trio an, das mir Dor. zum Geburtstag schenkte.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1955-57, Eintrag 1957-02-03
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.34)