Mo. 28. Okt. 57
Eine dieser Merkwürdigkeiten amerik. Lebens: Ich tel. mit Capt. R. N. Richardson (ANP) wegen etwas. Er sagte sofort, ich sei bei Gates gewesen. Ich war erstaunt, daß er dies wisse. Keineswegs; er & Vice Adm. Davis hätten zus. für Gates einen Brief verfasst, den G. an Secr. of Defense McElroy schickt (oder schon geschickt hat) in dem er ihm verschiedenes darlegt, was ich ihm Freitag gesagt habe, unter Berufung auf mich!! (Was das McElroy schon bedeuten kann, der doch sicher nie von mir gehört hat!) Man sollte es nicht für möglich halten, daß dieses Land auf diese Weise geführt wird. Andererseits ist es wieder gut, daß diese Dinge möglich sind. Jedenfalls kann ich mich nicht beklagen, daß man mir keine Aufmerksamkeit schenkt. Jetzt wäre die Abfassung von prägnanten Thesen über Strategie bes. wichtig. Wenn ich nur zu allem Zeit fände! Morgen muß ich den Brief an McKenzie verfassen; dann die Vorlesung für Dayton vorbereiten.
Seit gestern ist Zukov draussen; niemand weiss was los ist. Meinl sagte mir in Wien es sei nicht richtig zu glauben, daß Zukov wirklich das Heft in der Hand habe & Chruchow nur vorgeschoben sei. Nun wird man sehen. Es wird heute Abend behauptet, daß Chruchow um seine Position kämpfe. So lange sie sich untereinander solche Schwierigkeiten machen, sind sie auf keinen grossen Konflikt eingestellt. Aber die Gefahr ist, daß dabei ein nichtswisser-Abenteurer wie Hitler hochkommt.
Ich möchte noch nachtragen, daß ich in Frankfurt öfter mit dem früheren Reichskanzler & Reichsbankpräs. Luther beisammen war. Ein interessanter, lebendiger alter Herr, der gerne von seiner Zeit erzählte. Er behauptet, er habe 1-1 ½ Md. Mk der Regierung zur Verfügung gestellt, sie aber nicht dazu bringen können, diese Beiträge für öffentliche Arbeiten einzusetzen. Bruning sagt immer wieder, er habe schon alles ausgearbeitet gehabt, was Hitler dann an öff. Arb. durchgeführt habe. Wo liegt die Wahrheit? Luther macht aber einen guten Eindruck, eine Beamtennatur.
Machlup sagte, die 2 Lutz seien de facto getrennt. L. habe einen Ruf nach Bonn mit Zusicherung hoher Bezüge & einer Stellung im W.rat. Zürich mache grosse Anstrengung ihn zu halten.
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.34)

