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tagebücher / 1955-57 / 1957-11-28

28. Nov. Thanksgiving

Kantorowicz ist wieder zu Hause, offenbar ganz in Ordnung. Die Niere wurde entfernt. Sein Buch ist erschienen & er will mir ein Exemplar senden. Bob Palmer gab mir seinen hist. Atlas der sehr gut & interessant ist.

Inzwischen in Sandia. Es ging alles sehr gut. Ich bin "briefed" über so viele Dinge, daß es schwer ist, alles klar zu halten. Leider kann ich darüber nichts notieren. Die Aussichten werden immer schlimmer & daher absurder. Mein Project II beschäftigt & beunruhigt die Leute. Es ist nun klar, daß man etwas getan hat um den gezeigten Gefahren auszuweichen. Ich hielt einen Vortrag ("Weapons for US"); tickets waren nötig & der Andrang so gross daß Leute 4 Reihen tief standen & die Rede 3 x von Tape wiederholt werden mußte! Ich sprach sehr frank, mit dem Ergebnis, daß ich öfter von Applaus unterbrochen (!) wurde. Dies werde ich im Naval War Coll. im wesentlichen wiederholen & dann aufschreiben. Jim McRae veranstaltete eine Sitzung mit den Vice-Pres. & anderen (etwa 12) wo ich wieder alles wesentlich sagte. Wir sassen 2h & dann McRae, Hight & ich noch 1 ½h später, z.T. Lunch.

Freitag – Sa. in Los Alamos. Viel mit Ulam (Bledsoe kam Freitag), ebenso Briefinger z. B. über die Nuclear Rocket etc. lange Disk. mit Teller; ich schreibe eben einen Abriss für den Secr. of the Navy. Wir wollen das gemeinsam überreichen, falls wir uns auf die Formulierung einigen können. Wir hatten Dinner bei Ulams, Stan war wieder sehr anregend. Er ist es für mich mehr als irgend ein anderer seit Johnny tot ist. Er ist auch angenehm. Stan, Mrs. Hörling (eine Freundin von Otto Vosslers Stiefmutter!) & ich gingen Samstag auf einen Spaziergang: herrlicher Schnee, kalt, Sonne. Wunderbar. (Wie hässlich es in N.Y. ist. - ) Ich erzählt Stan von meinen Ideen über die Koppelung von Gehirnprozessen & Rechenmaschinen. Er glaubt, daß solche Sachen einmal möglich werden. Wir sprachen viel über die Projektion des Lebens über die nächsten 1000, 10 000, 100 000 Jahre & die Unvorstellbarkeit dessen was noch kommen wird. Was für ein Jammer, daß man das nie wird wissen können.

Hier geht alles gut. Dienstag mit Dorothy in N.Y., Lunch (St. Denis), Mus. Mod. Art (Deutsche Maler, enttäuschend), ich bei IBM, wo ich über die Pläne betreff Fourier & Spectralanalyse erzählte. Wir werden das Geld wohl bald bekommen.

Eisenhower hatte einen leichten Schlaganfall oder ein Spasm. Es geht wieder besser. Aber er sollte zurücktreten. Er ist ja ohnehin gänzlich ineffectiv und versteht die Grösse & Natur unserer Krise gar nicht.

Später mehr. –

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1955-57, Eintrag 1957-11-28
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.34)