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tagebücher / 1959-60 / 1960-06-08

Mittw. 8. Juni

Wieder ein Brief von Dorothy. Sie hat ein schwedisches Mädchen gefunden, die bei uns wohnen würde. 26 Jahre. 8. Sept. – 1. Juni 61. Ich habe ihr gekabelt sie solle sie engagieren. Da werden wir beide etwas mehr Zeit füreinander haben & Dor. kann mich öfter begleiten z.B. nach N.Y., Detroit etc.

Gestern die 1. Vorlesung gehalten (Zeitreihen). Freitag kommt die nächste. Ich habe nun alles über Spektralth. studiert. Nun ist das Problem das klar vorzutragen. Ich habe für die nächsten 2 Stunden mehr, als ich bewältigen kann. Es könnte ganz interessant werden. Für die Leute hier völlig neu. Man muß so viel umdenken. Hatanaka hat eine sehr schöne Abhandlung geschrieben. Manches von dem was ich 1928 schrieb kommt nun zum Vorschein. Wir wollen viell. eine gemeinsame Sache schreiben.

Salin ist zurück aus Paris. Wie immer. Ich war kurz bei ihnen. Beckerath ist hier & reizend; gealtert in dem Jahre. Einandi kommt zum Fest, was mich besonders freut. Haberler wird sprechen, Meade kommt usw. Bombach ist sehr intelligent, scheint kalt, aber ist es nicht. In der Vorlesung war es ganz voll.

In Frankf. viel mit Vosslers beisammen. Seine Schwester Laura kam auch, ebenso E. Sommerfeld (Sohn des Phys.), ehem. Schulkamerad Ottos. Sie freuen sich sehr auf Dorothy & Carl. Otto hat schon probeweise im Gastzimmer geschlafen um zu sehen ob es für Dor. gut genug ist etc.! Ich solle auch hinkommen. Sie wollen wenn möglich zur Feier hierherkommen.

In F. Prof. Sommer & Herr Liebing (Physica Verl.) lange gesprochen. Sie waren aus Würzburg gekommen. Zeigten mir Fahnen der Th. of G, die nun im Nov. erscheint. Auf eine winzige Vorankündigung hat Liebing binnen 10 Tagen über 50 Bestellungen bekommen. Er war ganz erstaunt. Er will nun die neue Auflage der Accuracy machen.

Heute ein stiller Tag der Arbeit. Nur kurzer Besuch bei Salin. Das ist eine wahre Erholung. Ich schrieb Dor daß ich mir solche Tage (hintereinander!) in P. ersehen, in unserem schönen Haus. Hoffentlich nach der Rückkehr.

Allmählich wird alles hier nachgetragen. Mit Carl vor der Abreise eine denkwürdige Unterhaltung. Er hat sich ausgedacht, daß die Hypothenuse die lange Seite plus ¼ der Kürzeren sei. (Die Ägypter 1 + 1/5!). Er wollte aber wissen wie gut die "approximation" sei (seine Worte!), also wie ziehe man Quadratwurzeln. Lernte es, vergleich, etc. Wir sprachen über intersection of sets; mod 3, 5 … was er kennt, über das 7, 5, 2 Zahlensystem etc. Alles klar, kompetent, zum Staunen. Dabei alles andere so natürlich. Aber wie er sich alles überlegt. Er wollte das Gewicht der Erde wissen. Wozu? Damit er ausrechnen könne wie lang der Stab sei den Archimedes brauche um die Erde zu heben! Ich scherzte: Der Stab werde so lange sein, daß er zerbräche. "But dada, in Space there is no gravity"!

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1959-60, Eintrag 1960-06-08
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.36)