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tagebücher / 1963-65 / 1964-06-11

Do. 11.

Mo. war meine 1. Vorlesung; der Hörsaal ganz voll, meist junge Leute, was mich bes. freute. Heute 6-8 wieder zu sprechen. Wir werden sehen ob das anhält. Werde Nutzenmessung & Def. d. Spieles besprechen.

Bei einer Probevorlesung: Redl (miserabel) & Ferchl (ausgez.). Ersterer von Mahr & Pütz, der andere von Sagoroff. So sieht man wieder wie viel besser S. ist. Viel mit ihm über das Institut gesprochen; es wird sich alles einrenken & er funktioniert besser als Burckhardt & a. denken. Lunch mit Günther Winkler, Prof. f. Verfass.recht. Er ist brilliant, nur 35. Wir sprachen uns sehr gut & wollen uns wieder sehen. Er sagt Sag. habe die ganze jur. Fak. belebt, sei tapfer & wagsam, wogegen die meisten anderen Duckmäuser seien. W. ist gegen Otto v. Habsburgs Rückkehr weil er Unruhe bringe, aber sagt rechtlich sei die Entscheidung zu seinen Gunsten & das Privatvermögen gehöre ihnen ganz klarer Weise. Üble Situation. W. ist ein grosser Liebhaber orientalischer Teppiche. Sein Netto Gehalt pro Mon. ˜ 7 000,- Sch = $ 280,-! (Er macht aber Gutachten.)

Gestern ins Sacher von Fin. Min. Schmitz eingeladen. Wir waren allein in einem kl. Zimmer. Er war 51 in Princeton gewesen & hatte mich besucht. Netter, intelligenter Mann, kaum eine politische Figur (Winkler wird sicher einmal Minister, Kanzler, Präsident, bei seiner allg. Intelligenz (wenn er will)) aber guter Techniker. Will die Disk. aufs sachliche drängen, hat sich einen wiss. Assist. beigelegt (Dr Socher, der auch sehr gut ist), hat immer einen Rechenschieber bei sich & zwingt Proponenten von allerlei Dingen sofort mit ihm % etc. auszurechnen, was den Leuten sehr ungewohnt ist. Wir werden uns viell. in Princeton wieder sehen.

Bei Verdross am Abend. Er sehr eingebildet, weiss aber eine ganze Menge. Dann sagte er ihm sei seinerzeit das Ford Inst. angeboten worden: eine Lüge; er kam zu mir & bot sich an & ich wimmelte ihn ab. Sein Gedächtnis ist zu kurz.

Sehr liebe Briefe von Dorothy & Carl. Wie sie & Karin mir abgehen. Nun hoffe ich aber, daß D. am Montag tel. wird, aus London, wo, ich hoffe, sie doch hingeht am Wege zu Vosslers. Heute sollte ein Br. kommen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1963-65, Eintrag 1964-06-11
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.38)