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tagebücher / 1963-65 / 1964-07-12

Princeton, So. 12. Juli

Wir kamen am Do. d. 9. zurück, zus. auf PAM aus Paris, dann mit Lim. hierher. Die Kinder sind wohl. Karin reizend & Carl ganz überraschend gross, ein Mann beinahe. Ich konnte meine Augen nicht abwenden. Voller Ideen, was er gelesen hat & ich lesen muß (B. Russell etc.) … So eine Freude, daß wir alle wieder beisammen sein können.

Dor. war in London & bei Vosslers, wo es ihr sehr gefiel. Unsere Zeit in Wien ging gut, aber es war anstrengend wegen der vielen Verpflichtungen, Empfindsamkeiten etc. Von Kamitz nach Krems eingeladen, wo ein netter Abend war. Es wurde uns alles gezeigt (vom Bürgermeister & dem Curator). Dinner in Dürnstein, sehr gut. Noch ein Baron von Tucher aus München (Bankier). Bei Prinz Carl v. Liechtenstein zum Lunch im Palais. Noch Erzherzog Friedrich (Bruder der Prinzessin) & Prinz Emanuel, der meist in L. lebt (Vetter von P. Carl). Wir sollen nächstes Mal (Jan. oder Mai) nach Liechtenstein kommen & beim Fürsten in Vaduz wohnen; Prinz C. will uns hinbegleiten.

Wir sahen natürlich Gödels, H. Wolf, Kufflers (sie ist übel) & gaben ein Essen für 2 Pfanzagl, Günther Winkler (Rechtswiss., sehr intell., jung), Menger; natürl. auch Hannchen. Am Franziskanerpl.; sehr schön.

Wir sahen den Rosenkavalier (gut), Arabella (& H.; sehr gute Aufführung) & hörten am So. 11 a.m. ein Strauss-Konzert mit Karajan, der eine Ovation bekam (er will Wien verlassen).

Die Sitzungen des Consités, mit Lazarsfeld & Toman waren schwierig. L. war unhöflich, besserte sich aber. Sag. hat es schwierig, aber meist seine Schuld. Es kann wirkl. besser werden wenn Kozlik weg ist & S. delegieren kann, was er dann tun muß. Das Gebäude ist weit gediehen & wird Okt./Nov. fertig.

Meine Vorlesungen gingen weiter gut; viele Leute. Nach der letzten mußte ich gehen, da die Stud. etc. so applaudierten, daß sie nicht aufhören wollten so lange ich im Saal war. – Viel gutes mit Menger diskutiert, mit dem ich mich sehr gut verstand. Er fängt an sich für Spielth. zu interessieren. Seine Vorles. waren ausgezeichnet, obwohl ein bisschen alt.

Mit Hannchen im Griechenbeisl (ihr Wunsch) um ihren Geb. zu feiern. Wir gaben ihr natürlich Geschenke, Kuchen, Kerzen – alles so wichtig für sie …

Von Wien nach Zürich (1h), im Storchen. Etwas ausgeruht. Urs Schwarz besucht (NZZ); sein Buch erscheint im Herbst. Dann Fahrt am Zürcher See etc. So. sahen wir Somarys, die uns zum 1. Frühstück einluden. Woheren im Land, ganz nett, aber nicht der Stil des Vaters. Er etwas aufgelockerter, jedoch mir ist seine Bankier Tätigkeit nicht klar. Dann sahen wir Margot, sehr nett, sie hofft bald zu heiraten was wir ihr wünschen.

Dann n. Nizza (1h!) wo wir einen Peugeot 404 mieteten & via Cannes & Inland nach Gien fuhren. Zuerst gefiel uns das Hotel nicht, aber das war eine Täuschung. Die 5 Tage Conf. "Théorie des jeux & ses applic militaires" ging ganz gut. Aber übel täglich 1 ¾ h im heissen Bus n. Toulon zu fahren (& zurück). Mo. hatte ich Vorsitz. Am Abend Empf. beim V.-Adm. in schöner Villa (ehem. Rothschild). Di. einer beim Mayor & kl. Supper bei M. Trochet. Mi. war frei. Wir gingen mit Shubik nach Porquerolles; am Ab. Dinner mit vielen Franzosen im Tour … Freitag meine Rede "On some critics, of G Th.". Als ich fertig war (z.T. Polemik gegen Schelling der am Tag vorher viel Unsinn geredet hatte) stand Trochet auf & pries meine Rede so, daß alle Leute aufstanden & applaudierten! (Es war so wie in San Diego bei der 50 Jahre Naval Aviation Geschichte). Bald danach fuhren wir weg nach Les Baux zur B… (Shubik war bes. nett. Dor., die ihn oft als obnoxions gefunden hatte, & mit Recht, war ganz erstaunt. Auch er will heiraten & ich wünsche ihm, dass es glückt.)

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1963-65, Eintrag 1964-07-12
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.38)