OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1963-65 / 1964-09-02

Princeton 2. Sept. Mittw.

Sonntag fuhr ich mit Carl via Newark hierher. Er hatte Mo & Di Latein Prüfung, da er im Sommer ein ganzes Jahr allein gelernt hat um einen Kurs zu überspringen. Offenbar ging alles gut. Erfreulich für ihn. Hier erst sagte er mir dass Mrs. Richards ihn & 3 andere im Sen. Jahr an die Univ. für Latein senden will & das regt ihn an. Ferner war er beim Computer, kam spät heim, strahlend "Dada, how would you feel if you had just written your first program!" Es bestand aus etwa 25 Schritten & führt etwas für unsere Stock Market Studie aus.

Carl erstaunt mich immer mehr. Aber er ist unglaublich vergesslich, sehr komisch. Z.T. weil er alle diese Sachen im Kopfe hat, z. T. sein Alter. Ich fuhr ihn gestern mit Baxters Cabriolet nach Newark von wo er nach Scranton flog. Ich werde morgen dasselbe machen, vorher nach N.Y. zu MRCA. Mildred Young wird uns besuchen; Sonntag kommen wir heim. Carl ist von Henry's zum Blue Mountain Lake eingeladen, fährt morgen hin & kommt Dienstag mit ihnen heim. Mi. beginnt die Schule. Ich fahre dann nach Wash. zur Conf. No 2 über Ursprung von Waffensystemen. So grosses Interesse dafür, daß Generäle mich anrufen, ob ich sie nicht auch einladen könnte. Heute werden Klaus & ich uns hinsetzen um Agenda auszuarbeiten. Heute werde ich auch den Wash. ONR Vortrag in endgültige Form bringen. Die "Tape" Lect. ist in Ordnung & ich werde sie nächste Woche absprechen.

Gelegentlich habe ich "dunkle Gedanken", die dann ganz unwirklich erscheinen. Nichts ernstes, nur schlechte Stimmung; dabei weiss ich, dass ich sie habe & keinen Grund dafür habe, so dass dies nie lange dauert. (Es ist auch selten.) Ich vermute daß dies eine Alterserscheinung ist. Aber das wundert mich wieder, denn ich fühle mich gar nicht alt, schon unmöglich mit Kindern die so jung sind. Die vielen Altersstufen in der Familie sind angenehm; obwohl Karin uns alle manchmal anstrengt mit ihrer Lebendigkeit. Jetzt kann ich besser verstehen warum auch viele junge Frauen, die mehrere kleine Kinder haben, so müde ausschauen & wirken (z.B. Mrs. Goldfrey).

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1963-65, Eintrag 1964-09-02
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.38)