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tagebücher / 1965-66 / 1966-04-09

Sa. 9. April 1966

Die Reise hat mir wenig Freude gemacht. Rom war gut, Berge's & Kuhns nett & beide viel gesehen. Sie haben Schwierigkeiten mit Italienern vertraut zu werden; das war bei mir nie der Fall. Ich habe Harald mit Baffi, Caffé zus.gebracht. Beide Mosca's sind gestorben …; ebenso Etta de Viti, & ihr Bruder. Besuchte, mit Har., Sig. Pecorella in Fregene. Sie hat etwa 8-10 Kinder, gelähmte Kinder aus Apulien dort. Dor. & ich sollen sie in Boscolungo besuchen; das Haus ist wieder aufgebaut. Bei de Finette, der mir sehr gefiel & viel über Bayes etc. diskutiert, ebenso über meinen Rueff Beitrag.

Ich wohnte im H. de la Ville, neben dem Hassler; sehr angenehm. Rom erschien mir irgendwie kleiner; mehr Routine. Ernesto Rossi gesehen, der mir mehr Material für de Viti gab. Nun habe ich alles beisammen. Aber immer die Frage, wie die Zeit des Aufschreibens zu finden ist.

In Wien nicht so gut. Kolb ist ein kleinlicher Bürokrat, meint es gut & tut vieles gute, aber kann nicht inspirieren. Es gab eine Menge kleinerer Berichtigungen, die ich machen mußte. Dazu kam daß ich eine Colitis bekam, 2 Tage lag, 2 x den Arzt hatte, Gewicht verlor etc. Das Essen schmeckte mir nicht (& ist meist auch greulich, ausser im Sacher, 2 Hus. etc.). Immerhin: Oper (mit H.): Falstaff (Bernstein Fischer-Dieksau), gut; mit 2 Godfreys & H. zu den 3 Husaren. Bei Gödels: sie darf nicht mehr fliegen. Also sehr traurig daß sie nicht zum 60. Geb. kommen können. (Kurt tel. gestern, hat Honorarprof. in Wien & das Goldene Ehrenkreuz für Kunst & Wiss. 1. Kl. wie ihm der Botschafter schrieb.) Kein h.c., da das nicht geht. Mit Schmetterer, Pfanzagl & Godfrey gespeist. Alles das gut. Kolb & Godfrey vertragen sich nicht sehr; beide haben Schuld. Die 1620 kommt im Juni & Kolb hat keine Ahnung was die Maschine bedeutet.

Der Heimflug war anstrengend. Ich flog bis Princeton. Hier stellt sich heraus daß Carl in Tupper Lake sein Schlüsselbein gebrochen hatte & Karin ein Knie verrenkte!! Er hat eine Brace, aber es ist nicht so schlimm. In 3 Wochen soll es geheilt sein & Karin ist ganz in Ordnung. Aber es war ein Schreck. Dabei war schönes Wetter, bester Schnee & sein Fall sanft, aber vorwärts auf die Schulter. Ich war noch 2-3 Tage marod; jetzt wieder in Ordnung, aber etwas müde. Ich könnte 1 Woche wirklicher Ferien gebrauchen & denke mit Grauen daß ich im Juni wieder in Wien sein soll. Dort bei den Liechtensteins, nett wie immer; er sah müde aus, sie ist sehr aufgetaut & fragte sehr nach Dorothy.

Pfanzagl geht nach Konstanz & ich habe ihn ausgebootet. Keine andere Wahl. Ich schlug Toman vor & das wird gehen. Ich mag ihn auch menschlich. Das Institut kann ich nun gar nicht schnell genug los werden. Sehr viel Arbeit noch. Nun wieder einen Bericht für Stone zu schreiben. Aber das ist der Preis den ich zahlen muß wegen der Russland Reise.

Abraham sprach lange mit Carl beim Lunch. A. sagte mir nachher, daß C. sehr gut mitkommt & er will ihm weiter helfen. – Gestern war Engel-Janosi hier; recht nett; gealtert, langsam.

In Rom besuchte in So. Nachmittag Donna Ida Einandi in der Villa Largo Volumnia. Sehr schöner Park, zieml. kleine, aber sehr schöne Villa wo sie lange gewohnt haben. Sie war an der Tür, wir waren allein, Tee war bereitet. Sie ist 81, sehr anziehend, elegant. Es war sehr bewegend; wir kennen uns seit 1928 als ich bei Einandis in Turin, via Lamarmora 60 eingeladen war. Und dann oft gesehen. Dort, in Dogliani, im Quirinale. Viel von Einandi gesprochen, von den Söhnen & Enkeln. Sie zeigte mir viele Memorabilia, bes. ein gutes Farbphoto, eine Büste, viele Bücher. Wir sassen in seinem Arbeitszimmer. Es gibt nun eine Fondazione E.; die Bibliothek von Dogliani geht nach Turin. Wie schade – sie sagte, in US würden die Studenten gerne zur Bibl. kommen, in Italien müsse man sie zu den Studenten bringen. Sie sagte, wie schade, daß Dorothy, Carl & ich 1960 nicht nach Dogliani gekommen seien (wir konnten kein tel. Kontakt herstellen); wie sehr mich E. gemocht habe usw. Es war eine bes. schöne Stunde. Wir sollten sie ja doch sicher wieder besuchen.

An der Univ. in Rom gibt es ein Zimmer für De Viti. Lucia Pacorella hat noch MSS von ihrem Vater. Sie sollten dort deponiert werden.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1965-66, Eintrag 1966-04-09
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.39)