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tagebücher / 1966-68 / 1966-12-25

Sonntag 25. Dez.

früh. Strahlende Sonne, frischer tiefer Schnee, grosse Stille. Die Familie sehr glücklich. Die Bescherung war schön. Carl ganz überrascht über den Sony Tape recorder. Ich hatte vorgehabt ihn aufzustellen um alles zu recorden bis er ihn fang, aber ich hatte so viel feed-back, weil ich den Loudspeaker nicht abdrehte. Aber auch so gelungen. Er bekam einen "Blazer" mit dem Princeton Enblem. Heiss gewünscht. 2 Bücher von mir, eines über Montaigne. Er gab mir eines über Johnson (.. & Novak), gut. Dor. gab er Nicholsons Memoiren vol I. Sie von mir "Sanuda" (!!) Kaffeemühle, Buch (Bowen über die Philadelphia Periode der Unabhängigkeitserklärung.) etc. Karin einfacher Recordplayer für ihr Zimmer, Tiger, Kleider, Stiefel – ganz strahlend. Was für eine Freude die Kinder sind! Mir gab Dor. ein Mexikanisches Ikon, etwa 1750 oder früher, sehr schön, auch (von ihr) gut gerahmt, einen roten Mex. Teppich für Bluff Point, Billingtons Buch "Axe & Icon", blauer Sweater & die 50 Schill. Münze anlässlich der 600 Jahr Feier der Wr Univ. geprägt in einen silber Aschenbecher gesetzt, wie wir das für die 500 Jahr Feier von Basel haben. (Jetzt fehlt mir ein Memento für Mannheim. Borchardt wollte mir eine Radierung verschaffen, hat es wohl vergessen.)

Heute gehen wir zu Ballantines 5-7, Carl soll bleiben, weil sie einen Tanz für die Jungen Leute haben. Gestern kam Schlecher zum Nachtmahl. Er ist angenehm, gescheit, sehr beobachtend (über US etc.). Wir haben ihn nach Bluff Pt eingeladen. Offenbar ich ziemlich viel diskutiert, wie aus Bemerkungen über Datum & Marchi hervorging; z.B. über Indoff. Curven, Probabil. Ethik usw. Man fragt sich was da alles gesagt wird. Gestern wollte er wissen wie Johnny & ich zus.gekommen sind. Einmal muß ich das aufschreiben, da so viele das wissen wollen.

Las einen interess. Aufs. von J.R. Platt über "Diversity" in Science. Sehr kritisch über unsere Univ.s So sehr es mich freut daß Carl früh eine Linie gefunden hat, so sehr freue ich mich, daß er in viele andere Richtungen als nur Math. drängt, viel Phil. liest & Lit. (wo er sehr viel gelesen hat). Ich kenne zu viele Mathematiker & Techniker die entsetzlich ungebildet sind. Das soll bei ihm nicht passieren – und wird auch nicht. Mike Godfrey ist z.B. recht gut belesen & hat weite Interessen.

Später:

Dor. und ich gingen zu Hognets vor dem lunch. Clarisse Rothschild war gekommen. In den letzten Monaten war sie sehr schlecht beisammen. Wir fanden sie gealtert, aber frisch & ohne Atembeschwerden & hatte eine gute Unterhaltung: Wien, Langem & Gwen brachte die Einladung zu den Liechtensteins auf. Die Fürstin, Gina, geb. Wilzek ist in Kindheit mit Gwen & Betty aufgewachsen (am 3 Kaisereck). Clarisse sagt, der Fürst sei sehr "shy", aber wenn man ihn einmal kennt ganz bes. angenehm. Auch sei er sehr intelligent.

Hannchen schickte einige nette Sachen, für mich die Autobiogr. von Zuckmayer. Aber auch eine scheussliche "Radierung" von Grinzing. Verglast, ganz zerbrochen weil ganz gewöhnlich verpackt, so wie Vatel seinerzeit das Augartenpferd das in 1000 Stücken ankam.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1966-68, Eintrag 1966-12-25
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.40)