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tagebücher / 1966-68 / 1967-03-18

Sa. 18. März

Gestern wieder ein Brief von Rudi Gödel. Er hat Hannchen besucht. Sie ist gut untergebracht, hat weniger Schmerzen (wegen Bettruhe & wohl wegen Medikamenten). Sie fürchtet Lähmung. Er erwähnte, daß ich viell. komme was sie mißtrauisch machte. Man sollte ihr wohl die Wahrheit sagen. Ich habe Dor. beschworen, dies bei mir zu tun, wenn es so eintreten sollte & es ihr versprochen. Rudi sagt man suche nach dem Herd, ohne ihn zu finden aber selbst dann kann die Metastase nicht aufgehalten werden. Ich werde bestimmt n. Wien fliegen, wohl in den ersten Apriltagen. R. sagt niemand könne wissen wie lange sie noch leben wird. Es könne ein plötzliches Versagen des Herzens eintreten. – Nun denke ich oft an gemeinsames unseres Lebens. Viel gutes & schönes; alle kleinen Irritationen verschwinden. Ich glaube ich bin im allg. ein guter Bruder gewesen; in der Wohnung habe ich mich immer wohl gefühlt, sie hat das gut gemacht. Es war ihr, mein, & der Eltern Heim.

Dorothy ist voller Sorge & Anteilnahme & wie immer plant vorsorglich. Carl, der vorigen Montag ins Office kam war betrübt, aber es liegt ihm ferner & Karin weiss nur daß H. sehr krank ist. Sie soll auch jetzt nicht mit mehr belastet werden. Aber das Leben geht weiter, solange es kann. So mußte ich Di. nach N.Y. zu Midland sowohl Stockh. meeting als auch Board & Lunch. (Jetzt lasse ich meine Dir. Fee akkumulieren, zahlbar in etlichen Jahren, wegen bess. Steuern dann; das sollte pro Jahr ˜ $ 1500 ausmachen. Ebenso die Ma Gewinnbeteil. ˜ $ 2400,- pro Jahr.). Mi. mit Knorr nach Wash.; wir assen im Trader Tic, sehr gut & er erzählte von seiner Studienzeit: immer Schulden, Mädchen, usw. in Wien wie in Paris. Schulden selbst bis sein 1. Kind geboren wurde, - Er ist ebenso gut wie angenehm. Do. bei AEC wegen Plowshare, ausführl. Diskussion von mehreren Stunden. Es sind verwickelte Probleme. Alles mit antiprolif. verbunden (wie wir wohl wissen) etc. etc. Klaus & ich haben viel von der geheimen Korrespondenz gelernt. Später im Pentagon, unbefriedigend mit dem Dir. of Op. Res. der Army (schlecht vorbereitet von Wang) & bei Don Cotter, der die South-East Asia Sachen bei John Foster hat. Sehr deprimiert über die Aussichtslosigkeit des Viet-nam Krieges. Wir haben falsche Taktik. Die Armee ist altmodisch-eigensinnig. Widerstand gegen non-lethal Methoden (ich sagte, viel des Widerstandes komme von der Verbindung dieser harmlosen Sachen mit BW etc.) Es könne Jahre so weiter gehen. Man hat eine Überraschung gegen Infiltrierung vor, wird aber erst im Herbst anwendbar. Es kann natürlich immer noch diplom. Überraschungen geben. Am Zuge trafen wir Fred Stephan, mit dem wir assen & mit dem gut zu reden ist. Aber er ist gekünstelt.

Mittw. bekam ich eine Überraschung: aus Paris: ich bin gewählt als "Korr. Mitglied der Académie des Sciences morales et politiques de l'Institut de France". – Sehr schön.

Die Rueff Festschrift ist erschienen.

Heute ein Brief vom Fürsten v. Liechtenstein: Dank für die "Strdt. heute", Handkuss an Dorothy & Hoffnung auf baldiges Wiedersehen. Der Leonardo wurde gestern ausgestellt, über 4000 Besucher.

Viele MSS meiner Leute zu lesen; Vorles. vorher. & bes. das Russ. Vorwort. Vorobiev schrieb: er kommt gerne auf 3-4 Mon. erste Hälfte 1968 & im Sept. od Okt. 68 ist die erste Sowj. Conf. über Spielth. zu der ich eingeladen werde. In Eriwan, Armenien. Plan: Mit Dor: Leningrad-Moscow-Eriwan-Teheran-Istanbul ? etc.!

Mehrere Besucher: So bei Smolnchovsky's sahen wir wieder Prinzessin Bentheim-Tecklenburg, (geb. Gräfin Hardenberg) deren Vater Botschafter in Costa Rica ist; ihre Schwester, Gräfin Hohenthal, wohnt in Düsseldorf & bestätigt daß wir unbedingt Prinzessin Salm-Diek in ihrem herrl. Schloß besuchen sollen (ich wurde von ihr in Wien vor 1 Jahr eingeladen, bei einem Lunch bei Carl Alfred), ihre Mutter. Viel Gerede über gemeinsame Bekannte, Vosslers etc. So. kam auch Herr Hollein (Wr Architekt) der mich zu dem Vortrag im kom. Juni eingeladen hatte. Etwas run-down, aber intelligent. Er hat $ 250000,- als Preis für das Kerzengeschäft am Graben gewonnen; ist nun selbst Jury Mitglied, nach Col. Univ. eingeladen etc. Er kam zum Dinner. Gestern war Doz. Holl z. Lunch hier, kath. Geistlicher, auf Reise im Auftrag von Kardin. König um US zu erkunden, bes. inform.th. & Theologie. Ich hatte etliches am Relig. Dept. veranstaltet & alle schienen zufrieden zu sein. Er war am Wr Inst. f. H. St. von wo ich ihn kenne. (Er hatte mir Lit. über die Kirchenväter u.d. (alte) Probabilist. Ethik verschafft, die nichts mit meiner Idee zu tun hat). Sehr schlau, gebildet, enttäuscht über Wr Univ. bes. kath. Fakultät ("die schon seit 50 Jahren verstaubt sei").

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1966-68, Eintrag 1967-03-18
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.40)