OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1968-70 / 1969-01-11

1969

Dorothy ist mit Karin nach N.Y. zu einem Konzert für Kinder von Bernstein. Ich sitze nun an einem noch immer ziemlich unordentlichen Arbeitstisch. Aber es klärt sich. In den letzten Tagen etwa 40 Briefe in die IBM diktiert & das Ende ist nahe. Es ist herrl. Winterwetter. Seit 6 Tagen bin ich täglich spazieren gegangen. Gestern beim Friseur & dann ½h in Ma. Vielerlei Besuch, aber heute wohl niemand, was gut ist. Bes. reizend Gödel, der sehr zugetan ist, hier war & viel mit Carl sprach & der immer wieder tel. zu fragen wie es mir geht. Es geht gut; ich sehe offenbar gesund aus, Varney ist sehr zufrieden & ich bekomme allmählich etwas mehr Kontrolle. Aber es ist schon eine Wirtschaft. Varney erlaubt daß ich am 21. & 23. nach N.Y. fahre.

Es sind grosse Lücken hier, bes. über Wien & ich kann nicht alles nachholen. Am besten ich schreibe laufende Sachen auf, um wieder in Schwung zu kommen & dazwischen hinein, etwas weiter zurückliegende Betrachtungen.

Ich habe noch immer keine grosse "Staying power" aber es wird täglich besser. So wird es auch hier hapern. Und mit dem Buch MS habe ich mich noch gar nicht befasst – nur Mike gedrängt, Kap. 2 mir zu übergeben. Die Masse Papier die mich allseits bedrängt, ist abscheulich gross. Es regen sich wieder Gedanken & einigen Notizen (utility etc) gemacht.

Zu Hause hier ist es herrlich. Fast alles frisch ausgemalt & tapeziert. Dor's guter Geschmack & es ist sehr gelungen. Man pflegt mich sehr & alles geht gut. Carl ist seit 1 Woche wieder in der Univ. Er hat eine glänze Arbeit von über 20 S. über "Response Analysis" geschrieben: Spectralan. die er sich schnell beigebracht hat. Ehe ich ins Spital ging rief mich Notterman an (den ich nicht kenne): Er müsse über meinen Sohn sprechen. "Was hat er angestellt." "Er wolle mir nur gratulieren. C. sei brilliant, hochbegabt, & tue etwas was er, N, schon oft erhofft hatte. Seine Outline für ein junior paper sei einer Dr. Dissertation würdig." etc etc. Wie nett von N. Ich will ihn sprechen wenn ich wieder mehr zirkuliere. – Carl war wunderbar während der Ferien. Er wächst innerlich sehr & mehr & mehr Gebiete kommen vor sein geistiges Auge.

Später:

Dorothy hat eine sehr schwere Zeit hinter sich: Meine Krankheit, mit ihren Implikationen (früher Tod, langes Leiden) (was nun nicht eingetreten ist aber 10 Tage nach der Op. (am 5. Dez.) erst bekannt wurde, hat sie tief beunruhigt. Dazu kam es, daß die Maler im Hause waren und grosse Unordnung herrschte was selbst über Weihnachten anhielt. Nun ist alles friedlicher und wird sich einrenken, obwohl noch das grosse Schlafzimmer zu tun ist.

Karin blüht & gedeiht. Sie ist charmant, hat weibliche Intuition, lernt gut in der Schule, aber ist nicht auf Bücher, Nachdenken usw. eingestellt wie Carl es immer war. Sie wird aber gut vorwärts kommen & der Ernst des Lebens wird sie früh genug erreichen.

Nun noch über Wien, ganz kurz: 2 McNally's kamen, wir waren mit ihnen bei Liechtensteins, in den Fabriken, allerlei Conferenzen & in Summa hat Andy erklärt er wolle mitmachen. (Das hat zu Weiterungen geführt: Briefwechsel mit Preisangabe, Sendung eines Chart. Acc. nach Wien im Dez. etc. & Tel von Andy vor einigen Tagen, immer positiv. (Aber man weiss von den Bildern daß das nichts bedeutet ehe nicht unterschrieben ist!))

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1968-70, Eintrag 1969-01-11
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.41)