OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
[home]––[info]––[tagebücher]––[personenverzeichnis]––[impressum]
diary-page
diary-page
diary-page
tagebücher / 1968-70 / 1969-12-25

Do. 25. Dez.

Viel zu schreiben. Gestern Bescherung, alles sehr nett. Dor. fühlt sich viel besser & wir können wohl Sa. nach Bluff Point fahren. Ich habe eine leichte Erkältung, aber vor allem 2 Canker sores im Mund; eine auf der Zungenspitze, die mich sehr schmerzt & ganz verrückt macht. Auch das wird vergehen.

Das MS ist noch nicht fort, weil zu viel rein geschrieben werden muß – alles nur technische Sachen, nichts mit Textrevision zu tun. Grace & betty nehmen sich der Sache sehr gut an & bald werde ich das MS absenden können. Was für ein Aufatmen! (Aber auch plötzliche – sehr kurze – Leere!)

McNally tel.; die ganze Sache ist durchgefallen. Schuld ist Wien, da sie ein Ultimatum gestellt hatten & Carta liquidieren (!) wollten. Ich tel. am 23. mit Karl Alfred & sagte daß ich die Sache viell. doch retten könne. McN. sagte ich solle mit O'Shea & Florian (& Gumperz) im Jan. in N.Y. zus.kommen. Ein Brief v. mir an KA macht alles nochmals klar. Ob sie es endlich kapieren werden? Es wäre schade um die viele Arbeit von so vielen Leuten & um die grossen Hoffnungen die McN. hatte.

Später: Knorrs waren hier, mit Nick; die Eltern waren 2 Wochen in Yucatan gewesen; ich wollte mit Dor. & Karin hin, von Texas aus aber wir haben es aufgegeben – zu anstrengend für D. der es aber rapide besser geht.

Vor 3 Tagen bei Gödel; sehr ausführl. über die am. Wirtschaft – er hat ebenso gute wie präzise Ideen. Es genügt daß er die N.Y. Times nur Sonntags liest – aber dann absorbiert er alles. Er ist so mager; man fürchtet für ihn; aber kein Einfluß auf Energie & Geist. Er machte gerade Fußnoten zu seinem schönen Aufsatz in Dialektica (1957?), über die Arten aus dem Finiten zu schliessen. Ich habe ihn wieder gelesen. Was für ein Werk: wenn man alles zus. tut ~ 500 Seiten – aber was für welche. Verglichen mit dem Kram den man selbst schreibt – Dann kurz bei Kaysen dem ich von meinem letzten Brief an Kissinger erzählte (Vorschlag daß wir mit den Russen Information tauschen über die Sicherung von Kernwaffen).

Bescherung: für Dor. ein gold. Armband, Pillbox, .. etc. Carl einen KLH FM tuner etc. Karin: viele jung. Mädchensachen vom Kleid bis Teppich bis ausgestopften Hund etc. Ich: Sweater, die ersten Quartette v. Beethoven, M. Renaults "Tire fr. Heaven" (Alexanders Jugend) usw.

Es fängt an mir besser zu gehen & ich hoffe morgen etliches fertig zu bringen. Bes. die Papiere die ich nach Bl Mt L. mitnehmen muß (in Vorbereitung auf Texas).

Die Welt – so scheußlich wie je. Das Massacre in Vietnam – Konflikt überall, Grausamkeit, Zerstörung unserer Lebensbasis, Bevölkerungsexplosion;

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1968-70, Eintrag 1969-12-25
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.41)