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tagebücher / 1970-71 / 1970-08-28

Fr. 29. Aug.

Letzten Sonntag n. Princeton, in Newark von Mary Jane Elenetoski abgeholt (Rs. Ass. in unserem Nasa Proj.) & D. bei ihren Eltern. Der Vater züchtet Orchideen, sehr erfolgreich. Er & Bruder kauften (bei Trenton) in den 30'er Jahren 40 acres für $ 5000,-, haben nun ein Angebot für ½ Mill. Dazu noch das Land & der Wert der Glashäuser etc. So kommen Leute hier vorwärts.

Mo. viel Arbeit, Heiss kam zurück, wir bereiteten alles vor & Di ging die lange Sitzung mit Nasa sehr gut. Wir haben ihnen einen festen Plan gezeigt, brauchen uns nicht auf so viel Detail einlassen (was ich vermeiden wollte) usw. Der neue Contract (˜ $ 270 000,-) läuft bis Ende Mai, aber sie werden sich Ma weiter benützen wollen. Lindley & Genossen sind vernünftig, dedizierte Leute.

Mike Delagado war da & erzählte von Carl & der Reise; alles ging gut, Carl hat eine nette, gut gelegene Wohnung (mit 3 anderen), ist begierig Ulam zu treffen (nun noch in der Türkei). Carl hat uns öfter angerufen er ist sehr zugetan. Jetzt findet er Boulder weniger interess. als P. aber es hat ja noch nicht angefangen. Er hat Logik, Algebra & real var. belegt, hofft in Ulams sect. zu kommen. Mike preist C. hoch; er sei ganz begabt, ernster Arbeiter (was alle ihn Ma von alleine bewundernd erzählten) usw. Er habe in P. zu sehr unter meinem Schatten gelitten, werde sich nun freier fühlen. Ich kann das gerne glauben; in eine Vorlesung zu gehen & die Theorien des Vaters, der an ders. Univ. ist, mit anderen diskutieren zu müssen (noch dazu vom Prof. daraufhin angeredet zu werden) ist nicht angenehm. Er hofft zu Xmas hierher kommen zu können –. Dor. freute sich über Anrufe, Zuneigung usw. So ich auch.

Karin macht mit Eifer & Ausdauer schönen Silberschmuck (Ringe), Batik usw. Sie ist sicher künstlerisch begabt & man soll dies entwickeln lassen.

Am Labor day flog ich n. Zürich (Somary?) Basel, wo ich mich mit Fabian treffe, Prognos usw.), am 11. in Paris: Snecma-Ma, & am 12. soll ich – auf Nasa's Wunsch – viell. Franzosen treffen, die am Shuttle interessiert sind. Am 13. heim.

Habe Gödel im Institut besucht. Ein wahres Wunder: er hat 18 pd zugenommen, ist in bester Verfassung, übersprudelnde Conversation. Viel politisches, aber dann über seinen ontologischen Beweis – er hatte das Resultat vor einigen Jahren, ist jetzt zufrieden damit aber zögert mit der Publikation. Es würde ihm zugeschrieben werden daß er wirkl. an Gott glaubt, wo er doch nur eine logische Untersuchung mache (d.h. zeigt, daß ein solcher Beweis mit klassischen Annahmen (Vollkommenheit usw.), entsprechend axiomatisiert, möglich sei. Ich scherzte, er solle ein Pseudonym nehmen – aber er hat Hempel & Scott auch davon erzählt & ich sagte man werde die "Klaue des Löwen" wie seinerzeit bei Newton, schon entdecken. (Er wußte nichts von diesem Falle). Wir sprachen uns besser denn je.

Di. hatte ich Heiss & Brant (Gelinda) zum Essen in der Tavern & dann bei mir. Sie ist attraktiv, er unsicher aber ganz verliebt, ein etwas ungleiches Paar aber es könnte gehen. Sie wollen Ende Sept. in Wien heiraten. Sie "is in TV", d.h. sucht nach Material für Europa. Beide natürlich sehr befangen & man kann sich kein gutes Bild machen (Dor würde mehr Urteil & Intuition haben!).

Mike Godfrey & seine Freundin (die wir in Wien kennen lernten) kam am Mo. Er ist ausgeglichener, intelligent wie immer aber doch etwas ein "drifter". Er sollte sich endlich eine grössere Aufgabe vornehmen (so wie auch H. Kuhn!). Sie sind wieder n. London. Nichts über seine Frau & Kinder gesprochen – mir tun sie leid. Sie hatten zu früh geheiratet, & nun haben sie sich nichts mehr zu sagen.

Das Buch ist nun ganz fertig – im Druck. Ich hatte noch einige Korrekturen! Preis ~ $ 15,-, erscheint Mitte Oktober.

An Laborday fliege ich n. Zürich-Basel-Paris am 13. Sept. zurück. Prognos – Ma Meetings, auch Fabian. Ich hoffe Somary zu treffen, viell. wird doch etwas aus der Bank Beteiligung von Midland. Meinl & Karl Alfr. habe ich auch geschrieben.

Nun an die Arbeit re Vorlesungen NYU.

Ich finde es immer schwerer die neuen astronomischen Entdeckungen zu verdauen. Viell. geht es vielen anderen auch so. Als man fand, daß die Erde rund ist, hatte das einen starken Einfluß auf das Denken. Heute ist es viel schlimmer. Man braucht sich nur die Photos der blauen Erde anzusehen, die im leeren Raume sinnlos schwebt, um eine Sonne die 1/Billionstel der Sterne unserer Galaxy sind, von denen es ~ 70.1010 gibt & Entfernungen so daß wir gar nie wissen können was "jetzt" im Universum geschieht wenn wir nur Milliarden Jahre alte Signale bekommen. Ich kann mir den Sternenhimmel nicht mehr mit nur ästhetischem Vergnügen anschauen – es graust mir. Und dann soll man an einen persönlichen (Regionalen?) Gott glauben mit Wiederauferstehung & allem! (Als alter Mann, als Kranker wie man stirbt, oder "reconditioned" etc – was für Zumutungen. – Ich kenne keine Schriften die solche Überlegungen ausführen, aber es muß sie in Mengen geben. Trotzdem möchte ich dies ausführlicher entwickeln. Es handelt sich auch um das Unbewußte & ich würde mich nicht wundern wenn die Unruhe der Jugend irgendwie auch dieses Element zur Ursache hat. Wie kann ein Kind gleichzeitig an die Schöpfung glauben & moderne Astronomie lernen, oder zumindest vom Flug zum Mond hören (das hätte den Apollo sicher unmöglich gemacht!)

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1970-71, Eintrag 1970-08-28
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.42)