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tagebücher / 1970-71 / 1971-05-01

Sa. 1. Mai

Eine verwirrte Woche: 4 Mal nach N.Y. & gestern n. Washington. Vorles. Seminar, in N.Y. wegen Georgiadis: er hat keine Chancen befördert zu werden – zu wenig publiziert & zu viele Feinde. Er hat in 10 Jahren fast gar nichts gemacht. Angeblich ein Buch MS. Man will es sehen – aber existiert es überhaupt?? Dann Conf. über Chairman; die Deans wollten ihn dieses Jahr absetzen – er hat aber sehr gut (schriftl.) geantwortet & so kam das gar nicht auf. Aber für 72 ? wird ein neuer Chairm. gesucht. Es ist kaum möglich einen im Dept. zu finden (ausser Nadiri, der es nicht will). Die Deans machten ihre Sache gut. – Morgen sind Dor. & ich von Hesters zu Cockt. eingeladen.

Gestern in Wash. bei Eggers der jetzt einer der Dir. der NSF ist & viel Geld kontrolliert. Baxter kam mit. Ma kann etliches erreichen. Ich werde auch Geld für NYU bekommen; muß vorbereiten. Ich soll Mitglied eines NSF Advisory Board werden.

Mittw. hörte ich von Dr Burks, am Bahnhof per Tel., daß die Biopsy positiv war – der Krebs hat sich also verbreitet. Es war eine Lymphe node & ist daher derselbe der in der Prostata erschien. Die Wanderung muß vor der 1968 Op. begonnen haben oder man hat halt doch nicht alles entfernt. Das ist übel. Dabei habe ich überhaupt keine Beschwerden, & den Tumor habe ich nur durch Zufall (!) gefunden als ich bei Dr Haynes zur Routine Untersuchung war & meine linke Hand ans Schlüsselbein legte, anstatt den Arm am Körper auszustrecken. Er hätte das nie gesehen, zu klein. Wie seltsam daß überall der Zufall regiert, viel mehr als man im allg. annimmt. Do. bei Haynes: ich gehe Mittw. ins Spital bis Sa.; man will viele Untersuchungen machen & dann werde ich einen Mann in N.Y. konsultieren den Cournand mir genannt hat. Behandlung, wie üblich, mit Estrogen (was bei Johnny nicht viel geholfen hat!). Viell. eine Operation etc. Das ganze ist eine Schweinerei. Angeblich 1-10 Jahre. (an die 10 glaube ich weniger!).

Jetzt kommt es darauf an nicht in eine Fixierung zu fallen; oder jeden kleinen Schmerz sofort als Tumor zu betrachten. Am übelsten wäre es wenn der Geist berührt wird, man sich anders (& übel) verhält, ohne es zu merken oder zu glauben. Und die Lähmung usw. Nun, man wird sehen, was die Tests zeigen werden. Viell. ist es – bisher – nur eine Stelle.

Dorothy tut mir so leid. Aber sie ist sehr brav & wir haben beide eine sehr positive Einstellung. Dabei leider das schreckliche Beispiel Given's vor Augen: sie geht auf mindestens 6 Wochen ins Spital in N.Y. – wohl kaum wiederzukommen! Rolly wird wieder operiert. Die arme Nancy – wir werden uns kümmern.

Carl tel. besorgt. Ich hoffe er kommt mit uns nach Europa. (Es könnte meine letzte Reise dorthin sein!). Karin haben wir keine Details gesagt.

Noch 2 x Vorlesung. Di. ferner eine Conf. im Center f. Intern. Studies. Ich werde über ABM & "Central Anuihil.-Deterrence" sprechen. (Ich schrieb darüber kurz an Kissinger. Aber man macht das Gegenteil: ABM um Wash. & Moscow (Russ. Idee). Nixon ist unerträglich, bes. im TV. (So sind letzten Endes alle Präsidenten. Die Position ist unmöglich. Viel z hohe Konzentration von Macht).

Hier Conf. mit Nasa, Lockheed etc. Ich sprach & es ging. Ferner kamen Leute von der IAEA in Wien; wir sollten Arbeit bekommen. Werde im Juni in W. verhandeln. Einer, ein Russe, (Shmenev(?)), war sehr intelligent, ganz offen, stimmte meinen Ideen über ABM – Cent. Anuih. zu, obwohl zuerst überrascht. etc.

Heute Abend gehe ich mit Dorothy & Karin ins Kind: "Grand Hotel" mit Greta Garbo!!

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1970-71, Eintrag 1971-05-01
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.42)