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tagebücher / 1971-72 / 1971-08-24

Di. 23. Aug.

Gestern Regen, kalt. Schotters kamen, beide gefallen uns gut, sie brachten 1 Fl. Uilly-Fuissé & wir hatten ein fines dinner. Dorothy kocht wirkl. sehr gut & ist eine glänzende, sehr sorgsame Hostess.

Ich habe viel an der Crit. Pts. gearbeitet. Es könnte ein Buch werden; grässlich.

Heute schön, kalt; reiten mit Karin & Harold. Es ist wunderbar über die grossen Felder, glitzernde See, die Berge. Was für ein Leben. Man soll, gerade wenn das Alter kommt, jeden solchen Augenblick ganz geniessen. Schade daß Dorothy nicht auch reitet. Und sie tut mir so leide, daß sie die physische Liebe entbehren muß – aber es war die Frage ob ich noch leben würde. Keine Wahl. Sie klagt nie; aber es ist mir klar daß es ihr abgehen muß.

Viel anderes: Mitchell tut nichts wegen Kent State – keine Anklage. Ein Skandal. Confusion auf den Geldmärkten, usw. usw. –

Lese Chektow: Ward 6. Lenin konnte deswegen eine ganze Nacht nicht schlafen, wie Vorobe'ev sagte. Ich schlief. Ch. ein grosser Schriftsteller. Las Polanyi; er ist auch Platonist wie Gödel. Glaube an die Existenz von Ideen. natürlich ist der Positivismus z eng. Aber die Gefahr in eine vage Metaphysik abzugleiten ist gross.

Dorothy sah neulich Dilworth (die kaum hier waren): müde. Wir sind alle besessen, von Teufeln getrieben. Ich auch, obwohl ich meine bekämpfe. (Versuche!)

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1971-72, Eintrag 1971-08-24
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.43)