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tagebücher / 1971-72 / 1972-07-24

Montag, 24. Juli

Gestern wieder reiten, ohne Karin die Ohrenschmerzen hatte, mit Fongs die nicht reiten können & der jungen Mrs Dillworth. Sie kam mit Mann (bei Smith-Barner), nebst 2 Hochschilds, Betty Adams (Zeichnerin, Ex wife des früh. Dir. der Morgan Libr.) & Iphigenia (!) Sulzberger z. Cocktails. Enormer Regen, Donnerwetter, Licht oft weg etc, aber gut. Am So. bei H's z. Dinner- sehr gute Lobsters & Puilly-Fuisse kurz, ein guter Beginn. Ich öfters schwimmen auch allein; Dorothys Schmerzen lassen nach, aber die grosse Feuchtigkeit stört.

Nun zur Reise (wie immer viel zu kurze Notizen, aber wo ist die Zeit - & warum überhaupt? Was für ein Widerspruch!).

Carl & ich wurden von PAAM in die 1. Klasse versetzt – sehr angenehm. In Wien alles gut, im Sacher. Carl ass gerne die besten Sachen! Er hielt 3 Vorlesungen im Institut: Prädik. Logik, Model ?, Gödels Vollständigkeit Theorem & Überleitung zur Entscheidbarkeit. Er hatte 25-15 Hörer, & bat mich (!) doch auch zu kommen. Er war erstaunlich gut. Benützte kaum Notizen, war sehr klar, zuerst etwas befangen, aber nach einigen Min. atmete er leichter & alles ging glatt. Er ist schon erstaunlich und noch nicht 22 –. Kuratorium, ohne Ereignis. Die Störungen im Institut sind offenbar vorbei oder unter Kontrolle. Der neue Computer wird vorbereitet, soll im Nov. landen. Schwödianer in Uniform, noch für einige Wochen, so kein Fortschritt mit dem Buch; ich habe ohnehin keine Zeit. Die muß für Gerry reserviert werden. Bruckmann gibt dem Inst. wenig Zeit, will in 1 Jahre zurück treten.

Am Freitag d. 7. mit Fabian im Institut, dann Lunch (Bristol) mit Treichl & 2 Meinl wegen Ma-Austria. Tibor ist nun sehr dafür. Die Atmosphäre war gut, die Leute ausgezeichnet. Natürlich die alte Geschichte: Kontrakte & Capazität gleichzeitig zu bekommen.

Am Abend gab ich ein Dinner, 3 Husaren, für Karl Alfred & Agnes, 2 Schwödianer, 2 Bradford, 2 Fabians, Carl & ich. Sehr gelungen.

Am Abend vorher mit Carl bei J. Meinl 3rd aber das war anstrengend, "contrived", bes. für Carl. Ich habe eine dickere Haut & mache keine grossen Forderungen.

Sa fuhren wir mit Stöckeles ins Burgenland; zuerst Eisenstadt Ausstellung von Lehmden (mir gefiel bes. eine "düstere Landschaft" ($ 7000,-!). Dann zu ihm in sein Schloss (!) Deutschkreuz, das sehr gross ist (eine Art Abtei) & das er herrichtet. Er war sehr freundlich, zeigte uns viel. Ich kaufte eine grosse Radierung "Ansicht von Wien" (vom Kahlenberg her) ($ 200,-). Er zeichnete auch ein Buch das sein ganzes grafisches Werk beschreibt. Dorothy hatte ihn vor Jahren in Wien besucht & 6 Radierungen gekauft (damals à $ 25,-! (aber kleiner). Der Mann hat keine linke Hand, an der rechten nur 2 Finger. Dabei diese minutiöse Arbeit. Natürlich wiederholte Themen, z.B. Vögel überall. Ich erwähnte Mathien. Er wollte nichts von ihm wissen: "ein Gymnast" (!). So reden alle Künstler voneinander; keiner will einen anderen zulassen. (Fast wie in der Ökonomie) Carl war an allem sehr interessiert. Nachher am Neusiedler See, ung. Restaurant mit lauter Musik, aber gut. In einem Dorf unzählige Störche auf Dächern. Einer kam heim, dieses Jahr, mit einem Pfeil in der Brust. Man fing ihn, behandelt ihn & nun ist er frei. In allen Zeitungen. Nett, daß es solche Sachen noch gibt.

Sonntag in der Kaisergruft (in die ich Dorothy nie bringen konnte!), dann nach Hietzing zum Friedhof, einige Blumen aufs Grab der Eltern & der Schwester –. Im Tirolergarten geluncht & via Schloss zurück, Hotel & nach Warschau in einem elenden (russ.)-poln. Flugzeug. Von Los & Fr. Mardon abgeholt ins "Grand Hotel" (stinkendes winziges Zimmer, was für Kontrast z. Sacher).

Montag begann die Conferenz. Die Russen kamen nicht (wohl vorher & wieder später!). Was für kapriziöse Bürokratie! So war ich allein (statt mit Kantorowiz) Chairman & eröffnete. Der erste Tag ganz Gerry & mir gewidmet über unser offenes Modell, Weiterungen, der neue Aufsatz, der in den Proceedings erscheinen wird usw. Mc Kenzie, Koopmans, Marchi, später Beckmann; auch Moeschlin u.a. Viele gute Leute. Es war eine lange aber gute Conferenz. Einmal eine allg. Sitzung über Sinn & Ziel der Modelle der Expansion. Ich schloss die Conf. am Freitag d. 14. Viel mit Gerry beisammen, mit Los & den anderen. Auch Ausflug nach Villanov. Carl führte ich zum Ghetto Denkmal. – Wir vertrugen uns ausgezeichnet. Nicht der geringste Misston. Etwas "banter". Er hat einen feinen Sinn für Humor. Und was für einen Verstand! Ich staune immer wieder. Wie weit er mir doch überlegen ist - & das macht mich froh.

Freit. gaben Los' eine Gesellschaft in der schönen Wohnung ihrer Eltern. Es kam auch Kostovsky (mit dem Carl sich getroffen hatte & 1½h diskutierte). Sehr komisch kam es zu einem Tausch meiner Kravatte (Chr. Dior!) gegen M's der sie bewunderte. Seine Frau stand dabei, verlegen & lachend. Ich sagte wir täten das häufig bei Cockt.parties in USA. Alle Welt amüsierte sich.

Sa. früh nach Prag, wie LOT mit etwa 20 Japanern. Im Hotel Alcron, das seine Atmosphäre bewahrt hat ˜ Sacher. Zwei gute Zimmer; gutes Essen. (Auch in Polen passabel, bes. eines mit 2 Koopmans, wo es nur Ente gab. K. sagte übrigens daß ich ihnen in Princeton so geholfen hätte, als sie nach US kamen. Hatte das ganz vergessen.)

Oh: übrigens mit Tibor bei Kreisky der eine Ma-Austria sehr begrüssen würde. Tibor war sehr erfreut das zu hören, sehr zufrieden K. getroffen zu haben der uns viel Zeit gab, obwohl er im Parlament benötigt wurde. (Überhaupt keine Sicherungsmassnahmen!).

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1971-72, Eintrag 1972-07-24
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.43)