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tagebücher / 1972-73 / 1972-08-05

Bluff Point

Gestern aus Princeton zurück, mit Maria Pia v. Liechtenstein, die wir Mittw. in Kennedy abholten. Morgen hat sie Geburtstag: 12. Karin & sie kommen (soweit) glänzend miteinander aus, MP ist reizend, hilfsbereit, spricht schon ganz gut engl., schwimmt ausgezeichnet. So wird es gut gehen. Bleibt bis Ende des Monats.

Die Fahrt n. P. ging gut. Mittw. in Ma Disk. mit Heiss über das Buch M&s. Er & Gerlinda kommen nächsten Do. hierher. Es geht vorwärts, aber – wie immer – viel mehr Arbeit als man glaubt. Ma ist sehr "busy". Tibor nicht getroffen: in Boston wegen EC dann nach Europa wegen Bedeaux etc.

Von Freddie de Hoffmann angerufen (jetzt: Pres. Salk Instit. La Jolla): Kreisky ladet zu einem 2 Tag. Symposium in Wien ein (Okt. 26, Staatsfeiertag) mit Frauen etc. etwa 20-25 ehem. Österreicher. Über Öst. wiss. & technol. Zukunft. K. ist schon ein vorausschauender Mann & führt neue, gute Elemente in Öst. ein. Ich schlug Heiss vor; de H. fragte nach Gödel, aber er reist nicht. Viell. Kreisel statt ihm, ex-Öst., ist aber, wie Gödel mir sagte, nicht zurück gereist. (Jude, viell. deshalb, obwohl andere reisen). de H. hat eine gute Liste, aber was soll jeder sagen & wird ein Programm herauskommen? Brief von Kreisky mit Einladung.

In N.Y.: Tisch Hall ist wirkl. glänzend. Es wird ein Vergnügen werden. Noch kein Chairman. Lange Disk. mit Schotter, geht vorwärts. Alpern hat keine Ideen über S G; gibt auf. (Marchi viel mehr. Er & ich werden etwas zustande bringen.) Traf Hester durch Zufall der mir die neue Bibliothek zeigte: für 2 Mill Bände, 4000 Arbeitsplätze! Merkwürdiger Bau, eindrucksvoll. Er glaubt daß die finanz. Schwierigkeiten der Univ. überwunden werden: zurückschneiden aufgeschwollener Depts – aber kaum in Ökon. – Seine Frau, ihre Mutter & 1 Tochter kommen bald auf 2-3 Tage hierher.

Langes Tel. Gespräch mit Gödel (worüber andere Notiz). Alles geht gut; auch eingeladen; geht natürlich nicht. Viel über Philos.: Jemand habe behauptet er G., halte Husserl für den grössten Philosophen seit Descartes: falsch: seit Leibniz! Ich fragte: Kant? Nein; zu subjektivistisch; K's Grundeinstellung ganz falsch, obwohl einige richtige Teilideen. H. dagegen habe eine völlig neue Methode in die // eingeführt: Introspektion. Niemand vor ihm. Zwar habe H. zu wenig damit gemacht, aber die Methode sei da. Ich: er, H, sei so unnötig kompliziert, warum nicht wie Wittgenstein: Was sich sagen lässt, lasse sich einfach sagen. G: aber wenn man das tut verstehen es die Philosophen nicht, sie gleiten darüber hinweg! Ich solle H's Aufsatz in Logos vol I nochmals lesen, den er auch Carl empfohlen habe. (Will das tun. Ich las H. verschiedentlich, auch in Harv. 1927 Leser (?); das Buch muß ich noch haben, finde es aber nicht). Felix Kaufmann sei sehr gescheit gewesen; auch was er über Grundlagen der Math. geschrieben habe. Usw. Immer ein Ausströmen von Ideen, Information, Beobachtung. Wenn man nur alles festhalten könnte.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1972-73, Eintrag 1972-08-05
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.44)