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tagebücher / 1972-73 / 1972-09-18

Mo. 18. Sept.

Gestern heiss, schweres Wetter. Niemand fühlte sich wohl. Ich habe viel gearbeitet, bes. im Heiss' MSS, aber mit Unlust. Die Arbeit türmt sich wieder. Ich möchte freie Zeit z. Nachdenken haben; statt dessen das Gefühl ich "schulde" es (– wem?), mehr zu machen. Seltsam; noch dazu bei meinem Alter. Es macht doch keinen Unterschied mehr aus ob ich noch weitere törichte Sachen aufschreibe.

Carl rief an. Alles sehr gut. Die Zahlenth. findet er interessant. Knapp an Geld, aber klagt nicht. Ich schicke ihm mehr.

Muß eine Autobiogr. Notiz für Mondadori (Ein Dict. of Scientists) schreiben. Kurz & deshalb schwer.

Heute ein jüd. Feiertag; alles stoppt. Die Juden & Israeli fangen an mich zu langweilen mit ihrer intensiven Religion. Wie kann man Jehova ernst nehmen?! Aber das gilt f. alle Religionen. Es ist unglaublich wie sich der Aberglaube hält. Natürlich gibt es ein Problem & man muß sich immer an Pascal erinnern, der sagte auch eine winzige Wahrscheinlichkeit sei in diesem Falle wichtig.

Übrigens: Johnny zweifelte absolut an intell. Leben sonst im Univ. (was ich nie mit ihm teilte). Er meinte man habe keine "Wahrsch." wenn nur 1 Fall bekannt ist. Aber Gödel, mit dem ich neulich darüber sprach, stimmt mir zu daß man diesen einz. Fall im Rahmen von anderer Kenntnis (Chemie & Phys. der Erde, anderer Planeten, enorme Zahlen, usw. halten müsse & dann gibt es eine Art Wahrsch. – Jedoch das führt nicht zu "Gott", gewiss nicht zu den primitiven Religionen wie wir sie bisher gehabt haben – in allen Zivilisationen.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1972-73, Eintrag 1972-09-18
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.44)