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tagebücher / 1972-73 / 1972-11-01

Mittw. 1. Nov.

Viel zu berichten, aber keine Zeit, wie gewöhnlich. Zeit ist so kostbar.

Vosslers reisten ab. Fast nahe den Tränen. Wir fühlten uns allen gegenseitig sehr zugetan.

Am Freitag d. 20. flogen Dorothy & ich nach London, wohnten prächtig im Connaught, wo das Essen erstklassig war. Nebst dem Ritz in Paris das beste Hotel Essen. Wir genossen die 4 Tage sehr; es tat uns gut allein beisammen zu sein, jedoch auch Freunde zu sehen. So hatte uns Rebecca West z. Lunch am Sonntag. Zuerst bei ihr, ein schönes, grosses Apartment, dann zum "Imperial Rest. Sie ist bald 80 (Dez.) sehr lebhaft, aber fast blind auf einem Auge & hört schwer. Redet wie immer, eindringlich, präzis & interessant. Etwas Erinnerung an Henry Andrews ausgetauscht. Er verehrte sie, & sie müssen eine gute Ehe gehabt haben. Mit Andrew West, ihrem Son von H.G. Wells kommt sie gar nicht aus, aber mit seinen Kindern. Ich war in der LSE, die enorm gewachsen ist, sah Gorman kurz, ferner Zauberman, der mir gefällt. Er hat ein 2 Bänd. Buch über russ. Math. Ök. geschrieben; erscheint im Frühjahr. Offenbar sielt die G ? darin eine grosse Rolle. Aber in der LSE wird sie nicht gepflegt –. Robbins lud uns (& die Machlups) zum Ballet in Covent Garden wo wir auch in der Pause ein Supper hatten. Das Ballet gefiel mir nicht bes. Das Bolschoi ist besser & im Jan. war in Paris Béjart viel interessanter. Wir waren auch bei Taplins, die 72/3 in London sind; wohnen interessant. Di. hatten wir ins Hotel z. Lunch Rebbecca, 2 Taplins & Piers Paul Read, der uns allen sehr gefiel. Wir hatten 3 seiner Romane gelesen, ich schrieb ihm & rief dann an. Er kam sofort & die Begegnung R. West & er war bemerkenswert.

Später:

Read ist erst 31 & hat eben seinen 5! Roman beendet: The upstart. Wir sprachen uns sehr gut. Er wird uns wohl besuchen kommen. Ich möchte ihm gerne helfen.

Di. Abend nach Wien, im Imperial untergebracht. Dor. mochte das Hotel nicht bes. Ich war Mittw. bei Taus (Girocentrale) wegen Ma Austria. Er stellte mir Vitzthum vor, als Kandidat für die Leitung. Dann im Institut, wo die Univac schon aufgestellt ist; sie soll im Nov. übernommen werden. Eine mächtige-prächtige Sache für das Institut. Schwödianer sehr zufrieden; alles geht vorwärts. Man wird auch die Baulücke schliessen.

Lunch bei Liechtensteins. Maria Pia sehr nett, der Physiker ETH (& der Ökon. (Linz) sehr aufgeschlossen. Agnes ziemlich still, Karl Alfred ziemlich verworren. Tragisch.

Die Konferenz füllte 3 Tage. Viel interessante Leute. Glänzender Vortrag von Weisskopf über Phys. & Kosmologie. Habe keine Zeit (& Lust) Details hier aufzuschreiben, d.h. über die ganze Konf. Ich hatte Vorsitz einer Plenarversammlung & einer Gruppe noch. Öst. wird schon aufgerüttelt worden sein. de Hoffmann machte alles sehr gut. Empfang in Schönbrunn. Oper: Don Giovanni (sehr gut, Inszenierung weniger). Dor. bei Treichls z. Lunch & nochmals bei Liechtensteins wo sie die Henkel-Donnersmark traf (die ich früher kennen gelernt hatte). (Sie ist die Schwester des Großherzogs von Luxemburg).

Heiss: trouble. (Auch jetzt wieder. Er kommt erst morgen Nacht!).

Vorlesung gestern. Ebenso gestern Stock-h. meeting von Ma. Alles ging glatt. Man überreicht mir ein sehr "thoughtful" Buch mit Unterschriften & Widmungen anlässl. April 1971: 10 Jahre Chairman. Das war Tibors Idee.

Heute kamen 8 Leute von Chrysler, nahmen unser Auto nach Phil. (liessen ein anderes hier) um es genauestens zu untersuchen & herzurichten. Ich hatte mich beklagt & Dilworth (Dir von Ch.) einen Durchschlag geschickt.

In Wien viel mit Ferdin. Porsche gesprochen. Interess. & netter Mann. Habe viel über Autos & Mechanik gelernt.

Jetzt hoffe ich auf etwas mehr Ordnung. Muß aber 2 x nach Wash. – Vorträge und wegen Geld für unser Ec. Dept. – (NSF, ONR usw.).

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1972-73, Eintrag 1972-11-01
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.44)