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tagebücher / 1972-73 / 1973-07-20

Freit. 20. Juli.

Letzten Sonntag wir beide nach Princeton. a.m. kamen beide Knoppers zu uns die auch bei Walter's z. Lunch waren. Wir mögen sie beide. Er hat einen Dr med & einen Dr pharmek. & das merkt man, obwohl nun sein Hauptinteresse als Pres. von Merck in Bus. (aber "gehoben").

In P. nichts bes., viel bei Ma, Ärger über unfähige Secretary (gelöst: habe Julia wieder), Heiss hat eigene Unternehmung, lügt, wie gewöhnlich etc. In NYU, beim Development Office, wegen "Center"; mit Schotter & Ira Sohn konferiert (S. ist auch sehr gut, studiert eifrigst MT Modelle & das MT* MS.) Mit Gerry tel, alles OK für seinen Besuch hier & unsere geplante Arbeit.

Dorothy war bei Dr Pollard. Kein Eingriff nötig, gab ihr "Vibramicin" das noch 3 Tage genommen werden muß; bereitet Unbehagen leider. Wir hoffen daß in 2-3 Tagen alles vorbei ist. Sie tut mir leid.

Karin holten wir Di. ab. Sie kam vergnügt & es ging offenbar besser als wir gedacht hatten. Agnes & K. Alfr. hatten einen neuen Autounfall; das Auto ein totales Wrack. Was ist bloß los? Er ist schon, wie man sagt, "a queer bird". Sie ist viel vernünftiger. Karin hat immerhin einiges gutes erlebt, eine andere Welt gesehen, wie andere Leute leben, usw. Jetzt ist sie ganz glücklich hier zu sein, wo es ihr (wie Dorothy) offenbar ganz bes. gefällt. [Mir auch, aber mit Einschränkungen.)

Vorgestern kurz bei Settons (beide nicht unsere ersten Leute). Sein 3. Bd über die Kreuzzüge im Satz. Ich frage ob jemals jemand bemerkt habe wie bedeutend es war für das Christenthum dass Jesus gekreuzigt & nicht geköpft oder gehängt wurde: Das † ist ein gutes Symbol, der Galgen, die Axt kaum. Nie beobachtet. Wie merkwürdig (in meinem "Thought" book eingetragen). Ein Zufall dieser Art der Tötung? Wie gewöhnlich & wann hat das aufgehört.

Was die Watergate Untersuchung zu Tage bringt ist abscheulich: Lügen, Bestechung, Schweigegelder, elektr. Abhören, verbrecherische Unternehmungen des Justizministers usw. Das Land ist in den Händen von Gangsters; Nixon wollte einen faschistischen Staat auferrichten, wie Gödel von Anfang an gesagt hat. Dazu im Geheimen (!) 100 000 t Bomben auf Cambodia abgeworfen, gefällschte milit. Berichte, geleugnet von Laird & Wheeler usw. usw. Ich möchte am liebsten auswandern. Amerika war für mich immer das Land wo ich leben wollte aber es ist vergällt. Dazu der Vietnam Krieg. Es kommt mir vor als ob eine neue Partei, die wirkl. Erneuerung bringt, in Erscheinung treten müsste. Aber die Marxisten können das nicht sein.

Jetzt mache ich mich an das Buch von Bonj. Ward: What's Wrong with Econ.? W. Samuels will mehrere Rez. gleichzeitig publizieren. Etwas darin gelesen: manches vernünftig, aber nicht tief. Ich will das in 2-3 Tagen fertig haben. Dann an MT*.

Später:

Dorothy fühlt sich heute nicht wohl, viel im Bett. Am Abend besser. Karin ist nun eine grosse Hilfe. Das Wetter trübe & feucht aber mit Karin spazieren und schwimmen.

Etliches an Ward gearbeitet & einiges gelesen (über China, über "verfrühte" wiss. Entdeckungen etc). Bald will ich endlich das Buch von van Peyrsen über Phänom. & Analyt. Philosophie lesen.

In P. lange mit Gödel beisammen. Er wollte mich gar nicht gehen lassen. Hatte wieder lange Listen von Fragen & Themen. Diesmal schaute er müde aus; aber seine Stimmung war gut. Er fragte wie immer nach jedem von uns. Von Carl möchte er Briefe & Tel.anrufe. Er mag ihn offenbar sehr. Er hatte meinen (nicht akzeptierten!) Forum Brief gelesen (z.T. in den Wr Vortrag übernommen, den ich wohl werde aufschreiben müssen!) & stimmte sehr zu, was mich erfreute, aber überraschte. (wegen Kant's Kateg. Imp. & meine Kritik).

Genug für heute.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1972-73, Eintrag 1973-07-20
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.44)