OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1972-73 / 1973-07-23

Mo. 23.

Ich glaube eher daß es die verdammten Hormone sind, die ich nehmen muß & die mich deprimieren & manchmal düstere Gedanken bringen. Ich werde Varnay fragen ob die Dose herabgesetzt werden kann (falls der Zus.hang besteht). Die Operation von 71 hat wohl die Metastase aufgehalten, aber gemütsweise hat sie mir nicht gut getan (glaube ich) wenigstens zeitweilig nicht.

Heute mit Harold & Karin reiten. So schön der Wald & am See entlang. Gestern & heute geschwommen. Dorothy macht mir Sorgen. Aber jetzt hat sie die letzten Antibiots genommen, so werden die Seitenwirkungen wohl verschwinden.

Carl tel. gestern nicht. Wir hoffen ihn heute zu erreichen.

Von Detroit statt hierher, nach Wash. (Nasa, AEC, NSF …) –

Das Buch von Ward gefällt mir immer weniger. Fertig; nun werde ich schreiben.

Einen Brief von Alva Myrdal! Sie & Gunnar hätten immer meine Schriften so verfolgt: habe ich mehr über Vietnam geschrieben als in der NY Times 1970? Es sei "remarkable". Ja: Briefe an Kissinger. Werde mir überlegen was ich antworten soll.

Gestern Abend öffnete ich einen Notizkalender von 1955. Eintragung zu Xmas Carl; der (5¼) einen Globus bekommen hatte, zu mir: "Look, Daddy, I am holding the whole world in my hand". In der Tat. – Ich sah auch, daß ich einige Wochen ehe Einstein starb, allein Tee mit Einstein in seinem Hause hatte. Ich erinnere mich sehr daran, ebenso wie Dorothy & ich bei ihm waren, mit Carl, viell. 1½ Jahre alt, der ihn "Stein" nannte, seine Bilder gesehen hatte, insbes. den Holzschnitt überall mit sich trug & die Augen nicht von Einstein lassen konnte. E. gab ihm eine chin. oder jap. Theaterbühne – die wir noch haben.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1972-73, Eintrag 1973-07-23
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.44)