OSKAR MORGENSTERN TAGEBUCHEDITION //
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tagebücher / 1973-75 / 1973-12-09

So. 9. Dez. (!)

Nächste Woche kommt Carl. Ich werde ihm sagen, wie es eigentlich mit mir steht – nämlich nicht gut. Er soll das wissen & sich vorbereiten. Ich will ihm auch sagen, was für grosse Freude er mir bereitet & immer gegeben hat. Dorothy weiss es soweit es sie angeht & Karin hat wohl auch das Gefühl, wie sehr ich sie & alle liebe.

Nichts mag geschehen, für Jahre. Man kann sich nicht vorbereiten, d.h. jeden Augenblick vorbereitet sein. So ist es die allgemeine Haltung

Ich glaube die Medizin (Delautin) ist zu stark & tut mir nicht gut. Es war so ähnlich mit dem Librium, das mir einmal ganz unnütz verschrieben wurde.

Habe viel über "Information" nachgedacht. Es wird sich kristallisieren, aber der Moment ist noch nicht gekommen. Ich nehme als Beispiele: "Mächtigkeit des Continuum ist Aleph 2" (wenige werden wissen was das für eine "Inf." ist!) oder Romeo & Julia (warum hat er sich nicht versichert, daß sie wirklich tot sei; schliesslich mußte sie ja atmen & ihr Herz mußte schlagen, ehe er sich vergiftete) oder Theseus, der vergessen hatte das schwarze Segel abzunehmen & ein weisses zu hissen).

Welche Inform. führt zu Handlungen?? Und was erscheint später als "obvious" & wird heute nicht gesehen, oder nicht geglaubt!? (La Révolution arrive; elle ne s'annonce pas"); und meine Idee des "Advocatus veritatis", den hohen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.

Später:

Viel Regen. Gestern wollte Harold mit mir (heute) spazieren gehen. So kam er hierher & sehr gute Unterhaltung. Er wird persönlich etwas an das NYU Center senden. Wie nett. Er ist schon einer der bemerkenswertesten Männer die ich je kennen gelernt habe; auch ein warmer Freund. Dorothy & die Kinder hat er bes. gern, was mich sehr erfreut.

Mit mir auf & ab. Dr Haynes ist verreist. So Tel. Dorothy mit Dr Clark: Delantin nicht mehr einnehmen. Das hat etwas geholfen, wie ich vermutete, aber in Ordnung bin ich nicht.

Morgen früh nach Washington. Ich glaube ich habe mir zu viel Arbeit mit der Rede gemacht – wie so oft. Aber ich will eben etwas präsentieren, daß sich sehen (oder hören) lassen kann. Bes. wichtig wenn man älter wird.

Oskar Morgenstern Tagebuchedition: Tagebuch 1973-75, Eintrag 1973-12-09
(Zugriff über http://doi.org/11471/319.25.45)